Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Geister zu verwirren, die Merlins Halle sonst vielleicht belästigt hätten. Zwei weitere Pfade führten die Hänge des Tor direkt hinab, einer im Osten zur Landbrücke zwischen Ynys Wydryn und dem Festland, der andere vom Meerestor im Westen zu der Siedlung am Fuß des Tor, wo Fischer, Federwildjäger, Korbflechter und Hirten lebten. Diese Wege waren die normalen Zugänge zum Tor, die Morgan durch ständige Gebete und Zaubersprüche von bösen Geistern freihielt. Dem westlichen Pfad widmete Morgan besondere
    Aufmerksamkeit, denn er führte nicht nur zur Siedlung hinunter, sondern auch zum Christenschrein von Ynys Wydryn. Während der Römerzeit hatte Merlins Urgroßvater den Christen gestattet, auf seine Insel zu kommen, und seither hatten sie sich durch nichts wieder vertreiben lassen. Wir Kinder des Tor wurden ermuntert, die Mönche mit Steinen zu bewerfen, Tierdung über ihre Holzpalisade zu schleudern oder die Pilger auszulachen, die durch das Törchen huschten, um einen Dornbusch unmittelbar neben der eindrucksvollen Steinkirche anzubeten, die von den Römern erbaut worden war und das Anwesen der Christen noch immer beherrschte. In einem Jahr hatte Merlin einen ähnlichen Dornbusch auf dem Tor aufstellen lassen, den wir dann alle zusammen
    »anbeteten«, indem wir sangen, tanzten und uns verneigten. Die Christen im Dorf erklärten, ihr Gott werde uns erschlagen, doch nichts geschah. Schließlich verbrannten wir unseren Dornbusch und mischten seine Asche unters Schweinefutter, aber der Christengott ignorierte uns immer noch. Ihr Dornbusch besitze Zauberkräfte, behaupteten die Christen, er sei von einem Fremden nach Ynys Wydryn gebracht worden, der mit angesehen habe, wie der Christengott an einen Baum genagelt wurde. Gott möge mir vergeben, aber in jenen fernen Tagen lachte ich über solche Geschichten. Damals verstand ich nicht, was der Dornbusch mit dem Mord an einem Gott zu tun haben sollte, inzwischen aber ist es mir natürlich klar, obwohl ich eingestehen muß, daß der heilige Dornbusch, falls er noch immer auf Ynys Wydryn wächst, nicht derselbe Dornbusch ist, der dem Stab des Joseph von Arimathia entsprang. Das weiß ich genau, denn eines dunklen Winterabends, als Merlin mich ausschickte, um eine Flasche frisches Wasser von der heiligen Quelle am südlichen Fuß des Tor zu holen, sah ich, wie die Christenmönche einen kleinen Dornbusch ausgruben, um damit den großen Busch zu ersetzen, der innerhalb ihrer Palisade eingegangen war. Der heilige Dornbusch ging immer ein, obwohl ich nicht sagen kann, ob das von dem Kuhmist kam, mit dem wir ihn bewarfen, oder ganz einfach, weil der arme Busch überladen war mit Tuchstreifen, welche die Pilger an seine Zweige banden. Die Mönche vom heiligen Dornbusch wurden jedenfalls reich, gemästet durch die großzügigen Gaben der gläubigen Pilger. Die Mönche von Ynys Wydryn waren hoch erfreut, daß Norwenna zu uns gekommen war, denn nun hatten sie einen Grund, den steilen Pfad emporzuklimmen und ihre Gebete mitten ins Zentrum von Merlins Festung zu tragen. Prinzessin Norwenna - noch immer eine verbissene und scharfzüngige Christin, obwohl es der Jungfrau Maria nicht gelungen war, ihrem Kind auf die Welt zu verhelfen - befahl, daß die Mönche jeden Morgen eingelassen würden. Ich weiß
    nicht, ob Merlin sie auf dem Gelände geduldet hätte - Nimue jedenfalls verfluchte Morgan dafür, daß sie die Erlaubnis gegeben hatte -, aber Merlin hielt sich in jenen Tagen nicht in Ynys Wydryn auf. Seit über einem Jahr hatten wir unseren Meister nicht mehr gesehen, doch das Leben in seiner sonderbaren Feste ging auch ohne ihn weiter.
    Und sie war wirklich recht sonderbar. Merlin selbst war der eigenartigste aller Bewohner von Ynys Wydryn, aber es hatte ihm gefallen, eine ganze Schar entstellter, verkrüppelter und halb wahnsinniger Kreaturen um sich zu versammeln. Majordomus und Befehlshaber der Wache war Druidan, ein Zwerg. Er war kaum größer als ein fünfjähriges Kind, besaß
    aber das Ungestüm eines voll ausgewachsenen Kriegers und legte tagtäglich Beinschienen, Brustharnisch, Helm, Mantel und Waffen an. Er haderte mit dem Schicksal, das ihn zu klein geschaffen hatte, und rächte sich an den einzigen Wesen, die noch kleiner waren: den Waisen, die Merlin überall so achtlos auflas. Nur wenige von Merlins Mädchen wurden von Druidan nicht leidenschaftlich verfolgt, doch als er versuchte, Nimue in sein Bett zu verschleppen, hatte er dafür heftige Prügel einstecken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher