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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Autoren: Bernard Cornwell
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Auch die Tinte ist hier schlecht: nichts als Lampenruß, gemischt mit Gummiharz aus Apfelrinde. Die Pergamentseiten sind besser. Sie sind aus Lammhäuten hergestellt, die noch aus den Tagen der Römer stammen, und waren früher mit einer Schrift bedeckt, die keiner von uns lesen konnte, aber Igraines Frauen schabten die Häute ab, bis sie schneeweiß waren. Sansum sagt, es wäre besser, wenn Schuhe aus diesen Lammhäuten gemacht würden, doch die abgeschabten Häute sind zu dünn, um sie zu Schuhwerk zu verarbeiten, und außerdem wagt Sansum es nicht, Igraine zu kränken und sich dadurch die Freundschaft König Brochvaels zu verscherzen. Unser Kloster liegt nicht mehr als einen halben Tagesmarsch von den feindlichen Speerkämpfern entfernt, und selbst unser kleines Vorratshaus könnte unsere Feinde verlocken, über den Schwarzen Fluß in die Berge und in Dinnewracs Tal vorzudringen, hätten Brochvaels Krieger nicht Befehl, uns zu beschützen. Allerdings könnte wohl nicht einmal Brochvaels Freundschaft Sansum mit der Vorstellung versöhnen, daß Bruder Derfel einen Bericht über Arthur, den Feind Gottes, verfaßt. Deswegen haben Igraine und ich den ehrwürdigen Heiligen angelogen und ihm erklärt, ich schriebe an einer Übersetzung des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus in der Zunge der Angelsachsen. Da der gesegnete Heilige die Sprache der Feinde weder spricht noch lesen kann, müßten wir ihn lange genug irreführen können, um die Geschichte bis zu ihrem Ende aufzuschreiben.
    Und irregeführt werden muß er, denn kurz nachdem ich begonnen hatte, eben dieses Pergament zu beschreiben, kam der heilige Sansum zu mir herein. Er trat ans Fenster, spähte in den trüben Himmel hinauf und rieb sich die hageren Hände.
    »Ich liebe die Kälte«, verkündete er, weil er wußte, daß ich anders denke.
    »Am schlimmsten spüre ich sie in meiner fehlenden Hand«, erwiderte ich freundlich. Es ist die Linke, die mir fehlt, und den knotigen Stumpf meines Handgelenks benutze ich, um beim Schreiben das Pergament festzuhalten.
    »Jeder Schmerz ist eine gesegnete Mahnung an die Leiden unseres geliebten Herrn«, sagte der Bischof, wie ich erwartet hatte. Er stützte sich auf den Tisch, um zu betrachten, was ich geschrieben hatte. »Erklär mir, was diese Wörter bedeuten, Derfel«, verlangte er.
    »Ich schreibe die Geschichte von der Geburt des
    Jesuskindes«, log ich.
    Er starrte auf das Pergament und zeigte mit dem schmutzigen Fingernagel auf seinen eigenen Namen. Er vermag einige Buchstaben zu entziffern, und sein Name muß ihm auf dem Pergament so deutlich ins Auge gefallen sein wie ein Rabe im Schnee. Dann kicherte er wie ein boshaftes Kind und drehte eine meiner weißen Haarsträhnen um seine Finger. »Ich war nicht anwesend bei der Geburt unseres Herrn, Derfel, und dennoch lese ich da meinen Namen. Schreibst du etwa Ketzerisches, du Ausgeburt der Hölle?«
    »Herr«, erwiderte ich demütig, während er mein Gesicht dicht auf meine Arbeit hinabdrückte, »ich habe mit dem Evangelium begonnen, indem ich hier festhielt, daß ich nur durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und mit Erlaubnis seines größten Heiligen Sansum…« - hier rückte ich meinen Finger auf seinen Namen - »in der Lage bin, die frohe Botschaft von Jesus Christus aufzuschreiben.«
    Er zerrte so stark an meinen Haaren, daß er mir einige davon ausriß; dann trat er zurück. »Du bist die Brut einer sächsischen Hure«, sagte er, »und einem Sachsen hat man noch nie trauen können. Sieh dich vor, Sachse, daß du dich nicht gegen mich versündigst.«
    »Gnädigster Herr«, sagte ich zu ihm, aber er ging schon davon und hörte mich nicht mehr. Es gab eine Zeit, da beugte er vor mir das Knie und küßte mein Schwert, jetzt aber ist er ein Heiliger, während ich nicht mehr als der elendigste aller Sünder bin. Und ein frierender Sünder dazu, denn das Licht vor unseren Mauern ist trügerisch, grau und voller Bedrohung. Bald schon wird der erste Schnee fallen.
    Schnee lag auch damals, als Arthurs Geschichte begann. Das war vor einem Menschenleben, im letzten Jahr der Regierungszeit Großkönig Uthers. Gemäß der römischen Zeitrechnung war es 1233 Jahre nach der Gründung ihrer Stadt, obwohl wir in Britannien die Jahre gewöhnlich vom Schwarzen Jahr an zählen, jenem Jahr, in dem die Römer die Druiden auf Ynys Mon niedermachten. Nach dieser Rechnung beginnt Arthurs Geschichte im Jahre 420, obwohl Sansum, Gottes Segen über ihn, unsere Zeit vom Datum der
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