Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
natürlich, das Kind war ein Mädchen - dann wäre das ganze Leid umsonst gewesen und das Königreich zum Untergang verdammt.
    Uthers schwerer Schädel hob sich aus dem Pelzwerk, das dort, wo sich sein Atem in den Fellen niederschlug, eisverkrustet war. »Wird alles getan, Bedwin?« erkundigte sich Uther.
    »Alles, Lord König, alles«, versicherte Bischof Bedwin. Er war der engste Berater des Königs und, wie Prinzessin Norwenna, ein Christ. Als sie ihre warme römische Villa im nahen Lindinis verlassen sollte, hatte Norwenna protestiert und ihren Schwiegervater angeschrien, sie werde nur nach Caer Cadarn gehen, wenn er verspreche, die Hexen der alten Götter fernzuhalten. Sie wollte unbedingt eine christliche Geburt, und Uther, der sich verzweifelt einen Erben wünschte, hatte versprochen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Jetzt intonierten Bedwins Priester ihre Gebete in einem Gemach neben der Halle, wo Weihwasser versprengt worden war, ein Kreuz über dem Kreißlager hing und ein zweites unter Norwennas Körper gelegt worden war. »Wir beten zur Heiligen Jungfrau Maria«, erklärte Bedwin, »die Jesu Christi gebenedeite Mutter wurde, ohne ihren geheiligten Körper durch fleischliches Wissen zu besudeln, und …«
    »Halt!« grollte Uther. Der Großkönig war kein Christ und verabscheute jeden Versuch, ihn zu bekehren, obwohl er zugestand, daß der Christengott vermutlich nicht weniger Macht besaß als alle anderen Götter auch. Doch die Ereignisse dieser Nacht stellten seine Toleranz auf eine überaus harte Probe.
    Und genau das war der Grund, warum ich damals dort war. Ich war ein Kind an der Grenze zur Männlichkeit, ein bartloser Botenjunge, der verfroren neben dem Sessel des Königs auf den Wällen von Caer Cadarn kauerte. Ich war von Ynys Wydryn gekommen, Merlins Halle, die am nördlichen Horizont lag. Meine Aufgabe war es, Morgan und ihre Helferinnen zu holen, die in der Lehmhütte eines Schweinehirten am Fuß des Westhangs von Caer Cadarn warteten. Prinzessin Norwenna mochte sich die Mutter des Christengottes als Hebamme wünschen, doch Uther stand mitsamt den älteren Göttern bereit, um sofort einzugreifen, falls dieser neuere, jüngere versagen sollte.
    Und der Christengott versagte tatsächlich. Norwennas Schreie ebbten ab, aber ihr Wimmern wurde immer verzweifelter, bis Bischof Bedwins Gemahlin endlich aus der Halle kam und zitternd neben dem Sessel des Großkönigs niederkniete. Das Baby, berichtete Ellin, wolle nicht kommen, und die Mutter liege, wie sie fürchte, im Sterben. Bei dieser zweiten Feststellung winkte Uther lässig ab. Die Mutter galt nichts, einzig das Kind zählte, und auch nur dann, wenn es ein Junge war.
    »Lord König…«, begann Ellin nervös, aber Uther hörte ihr schon nicht mehr zu.
    Er versetzte mir einen Klaps auf den Kopf. »Geh, Junge«, befahl er, und ich verließ seinen Schatten, sprang in den Innenhof der Burg hinab und rannte quer über die weiße, mondbeschattete Fläche zwischen den Gebäuden. Die Wachen am Westtor sahen mich vorbeilaufen. Dann rutschte ich aus und schlug auf der Eisbahn des Westganges lang hin, glitt weiter durch den Schnee, zerriß meinen Umhang an einem Baumstumpf und landete mit Wucht in einem
    eisbeladenen Brombeergestrüpp, aber ich spürte nichts als die ungeheure Last auf meinen Schultern: das Schicksal eines Königreichs. »Lady Morgan!« schrie ich, als ich mich der elenden Hütte näherte. »Lady Morgan!«
    Sie mußte sich schon bereit gehalten haben, denn augenblicklich wurde die Hüttentür aufgestoßen. Die Goldmaske, die ihr Gesicht bedeckte, schimmerte im Mondschein. »Lauf los!« kreischte sie mir zu. »Lauf los!« Und ich machte kehrt, um den Berg wieder hinaufzuhasten, während um mich herum eine Schar von Merlins
    Waisenkindern durch den Schnee keuchte. Sie trugen Küchenkessel und -töpfe, die beim Laufen aneinanderstießen, mußten sie aber, als der Hang zu steil und zu schwierig wurde, vorauswerfen und ihnen dann nachklettern. Morgan folgte ein wenig langsamer, unterstützt von ihrer Sklavin Sebile, die alle erforderlichen Zaubermittel und Kräuter trug.
    »Zünde die Feuer an, Derfel!« rief Morgan zu mir herauf.
    »Feuer!« schrie ich atemlos, während ich durch den Torbogen stolperte. »Feuer auf den Wällen! Feuer!«
    Bischof Bedwin protestierte gegen Morgans Eingreifen, aber der Großkönig wandte sich zornig gegen seinen Ratgeber, und der Bischof kapitulierte vor dem älteren Glauben. Seine Priester und Mönche wurden aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher