Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Autoren: Thomas Frank
Vom Netzwerk:
Theokratie unter weißer Vorherrschaft – oder es schlichtweg ignoriert.
    Dummerweise aber forderte die andere Seite gar keine Theokratie unter weißer Vorherrschaft. Uns droht heutzutage weniger irgendein Ku-Klux-Klan-Revival als vielmehr der wirtschaftliche Verfall. Bankbetrügereien, Bailouts, Bonusgier, BP: das waren 2010 die Themen, die auf den Nägeln brannten, und den Demokraten fiel dazu wenig ein. Stattdessen verschanzten sie sich hinter einer Art Maginot-Linie gegen den Irrsinn der Tea Party, während der eigentliche Angriff aus einer ganz anderen Richtung kam.

Tödliche Nettigkeit
    Keine dieser Unzulänglichkeiten sollte man alleine Präsident Obama anlasten, trotz seiner distanzierten Art und seines akademischen Backgrounds. Sie sind vielmehr ein Spiegelbild der Partei, die er anführt, und der Wählerschichten, für die diese Partei zunehmend spricht. Schließlich ist Barack Obama auch nicht der erste Demokrat, der in einer von Ideologie geprägten Ära mit »Kompetenz« zu punkten versucht. Das hat Michael Dukakis schon 1988 probiert. Man könnte hier auch die brillanten Sicherheitsberater anführen, die uns den Vietnamkrieg bescherten, wie es David Halberstam in seinem unsterblichen Klassiker
Die Elite
geschildert hat. Zudem steht Präsident Obama geradezu wie ein Demosthenes da, wenn man seine Reden zur Gesundheitsreform mit den katastrophalen Auftritten seiner ungeschickt argumentierenden und sich in Details verstrickenden Parteifreunde auf den Bürgerversammlungen 2009 vergleicht.
    Nein, das Problem reicht weit über ihn hinaus und ist letztlich eine Folge grundlegender Veränderungen innerhalb derjenigen Wählergruppe, die der Partei die liebste ist. Niemand hat diese neue Spezies von Demokraten besser beschrieben als … Barack Obama. »Ich stellte fest, dass ich immer mehr Zeit mit wohlhabenden Menschen verbrachte, mit Teilhabern von Anwaltsbüros, Investmentbankern,Hedgefondsmanagern und Risikokapitalgebern«, erinnert sich der künftige Präsident in seinem 2006 erschienenen Buch
Hoffnung wagen.
    In der Regel waren es kluge und interessante Leute – politisch gut informiert mit liberalen Ansichten –, und sie erwarteten nichts weiter für ihre Schecks, als dass ich mir ihre Meinung anhörte. Trotzdem vertraten sie fast ausnahmslos die Standpunkte ihrer Klasse, d. h. des reichsten Prozents der Bevölkerung, dessen Mitglieder es sich leisten können, einem politischen Kandidaten einen Scheck über 2.000 Dollar auszustellen. Sie glaubten an die freie Marktwirtschaft und die Herrschaft einer Bildungselite und konnten sich kaum vorstellen, dass es ein gesellschaftlich verursachtes Handicap gab, dass sich nicht durch eine hohe Punktzahl im Schuleignungstest hätte ausgleichen lassen. Sie waren gegen Protektionismus, fanden Gewerkschaften lästig und hatten wenig Mitleid mit Menschen, deren Leben durch den globalen Kapitalverkehr ruiniert wurde. Die meisten waren radikale Befürworter der Abtreibungsfreiheit und eines strengeren Waffengesetzes und hegten ein gewisses Misstrauen gegen starke religiöse Gefühle. [7]
    Er wisse, gesteht Obama einige Absätze später, dass er »durch die Geldbeschaffung den wohlhabenden Spendern … ähnlicher wurde«. [8] Ja, das wurde er. Und das wurde auch seine Partei. Die heutigen Demokraten sind nicht mehr das, was sie unter Roosevelt oder Truman waren, denn sie haben bei ihrem Tun Leute im Blick, die, in Obamas Worten, »an die freie Marktwirtschaft glauben«, und zwar fast ebenso inbrünstig wie die Anhänger der Tea Party. Das Denken in Klassengegensätzen hingegen ist diesen neuen Demokraten fremd, ja unangenehm. Stattdessen sehen die genialen Vordenker der Partei in ihr lieber eine Avantgarde des aufgeklärten Professionalismus und einen Schrein des reinsten Globalisierungsgeschwafels.
    Als Folge ihrer Entfremdung vom Volk haben die Demokraten inden letzten Jahrzehnten systematisch ihre Unterstützer an der Basis verprellt. So rührten sie beispielsweise kaum einen Finger, als ihre ehemaligen besten Freunde in der organisierten Arbeitnehmerschaft vom organisierten Kapital kaltgestellt wurden. Das ist gewiss keine Petitesse. Die Gewerkschaften zählen zu den letzten Institutionen, die ideologisch in der Lage wären, dem populistischen Glauben an die freie Marktwirtschaft etwas entgegenzusetzen. Wäre ihre Stimme 2009 vernehmbarer gewesen, hätten sich einige Dinge womöglich ganz anders entwickelt. Doch stattdessen sahen Obama und Co. mehr oder weniger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher