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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt
Autoren: Kai Meyer
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ohne Unterstützung aus Rom auskommen müssen. Zu viele meiner Kollegen haben mit ihrem Leben für ihre Hörigkeit bezahlt. Ich bin noch nicht so weit. Ich habe der Cosa Nostra den Krieg erklärt, und die Waffen habt ihr gewählt.«
    Alessandro verzog keine Miene. Von Kind an war ihm die Überzeugung eingeimpft worden, dass Richter wie Quattrini seine Todfeinde waren. Und Rosa verstand ihn. Stunde um Stunde im Polizeiverhör, das erste mit gerade mal zwölf – sie kannte das. Ihre Abneigung gegen all jene, die Gesetz und Moral für sich reklamierten, war kaum geringer als seine.
    Und trotzdem mochte sie Quattrini. Die Richterin hatte sie mehrfach vor der Justiz beschützt. Im Austausch hatte Rosa ihr Unterlagen ihrer Tante zugespielt, den Menschenhandel ihrer Familie mit illegalen Einwanderern aus Afrika beendet und die Drogengeschäfte der Alcantaras unterbunden.
    Quattrini ging langsam auf Alessandro zu, der ihr finster entgegensah. »Hast du Der Leopard gelesen, von Tomasi di Lampedusa?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Darin empfiehlt er allen jungen Männern, Sizilien spätestens mit siebzehn zu verlassen. Ihr Charakter werde sonst ein Opfer der ›sizilianischen Schwäche‹.« Sie blieb vor ihm stehen, einen guten Kopf kleiner als er. »Du bist als Siebzehnjähriger nach Sizilien zurückgekehrt. Was sagt das über dich aus? Und was muss noch geschehen, bis du begreifst, dass du die Mafia nicht beherrschen kannst? Rosa weiß das längst, ob sie es zugibt oder nicht. Willst du sie mitreißen, wenn du untergehst?«
    Er wollte widersprechen, aber Quattrini gab ihm keine Chance und fuhr fort: »Ich habe Rosa mehr als einmal gebeten, mir Informationen über dich zu geben. Sie wäre lieber gestorben, als dich zu hintergehen. Aber was du tust, Alessandro, ist auch eine Art von Verrat. Man setzt einen Menschen, den man liebt, nicht solchen Risiken aus.«
    Kurz sah es aus, als könnte er sich nicht beherrschen. Rosa war bereit, notfalls dazwischenzugehen. Unter seiner Haut rumorte es, während das Pantherfell darum kämpfte, an die Oberfläche zu gelangen. Manchmal war die Metamorphose zum Raubtier wie eine Explosion und nicht aufzuhalten. Aber Alessandro behielt sich in der Gewalt. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn, als er seine aufkochenden Emotionen niederkämpfte.
    »Was wollen Sie von uns?«, fragte er leise. »Weshalb sollten wir herkommen?«
    Aber Quattrini war noch nicht fertig, und allmählich fragte sich Rosa, ob sie sich getäuscht hatte. Ob das Wort Arkadien in ihrer Botschaft nicht nur ein Köder gewesen war, um ihnen ins Gewissen zu reden wie zwei widerspenstigen Kindern. Damit hatte sie nicht viel Erfahrung.
    »Ihr seid ohne eure Väter aufgewachsen«, sagte die Richterin, »der eine tot, der andere viel zu beschäftigt damit, Verbrechen zu begehen, als dass er sich für seinen Sohn interessiert hätte. Wollt ihr, dass es euren Kindern genauso ergeht? Euren Enkeln? Schaut euch doch um in den Reihen der Clans. Wie viele Männer werden Großvater, bevor eine Kugel sie erwischt oder sie bis zu ihrem Lebensende hinter Gittern verschwinden? Wollt ihr bis zuletzt andere durch euer Schweigen schützen, nur um schließlich selbst von irgendwem ans Messer geliefert zu werden? Capi mögen eine Weile lang mächtig sein, aber sie haben ein großes Problem: Sie sind austauschbar. Was ist aus euren Vorgängern und Vorgängerinnen geworden? Wie viele sind eines natürlichen Todes gestorben? Und wie vielen ist es gelungen, ihr Leben bis zum Schluss mit dem Menschen zu verbringen, den sie geliebt haben?«
    Rosa hatte die Kiefer so fest aufeinandergepresst, dass ihre Zähne zu schmerzen begannen. Eigenartigerweise musste sie ausgerechnet jetzt wieder an Fundling denken – ein Tod mehr, den sie in den wenigen Monaten auf Sizilien miterlebt hatte.
    Alessandro trat einen Schritt zurück, als hätte er an Quattrini einen ansteckenden Ausschlag entdeckt. Aber Rosa bemerkte, dass die Härte aus seinem Blick verschwunden war. Für einen Augenblick sah es aus, als würde er einlenken.
    Dann aber entgegnete er mit einer Abneigung, die sogar sie erschreckte: »Sie reden und reden, aber in Wahrheit sagen Sie nichts, das uns weiterhelfen könnte. Als würden Sie zu einem Kranken sagen: Warum wirst du nicht einfach gesund? Aber so simpel ist es nicht, und gerade Sie sollten das wissen, Richterin. Was haben Sie erwartet? Dass Sie uns ein wenig gut zureden und wir sofort sagen: Ja, richtig, warum haben wir das nicht
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