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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt
Autoren: Kai Meyer
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Geht und dreht euch nicht um. Ganz gleich, was geschieht, falls etwas geschieht, schaut euch auf keinen Fall um.
    Sie standen auf, nahmen Tasche und Box und betrachteten den aufsteigenden Rauch im Schein der Flammen. Schon jetzt war das Zentrum des Kreises fast unsichtbar hinter dem Qualm.
    Während sie sich abwandten und langsam mit ihren Taschen davongingen, schien das unerklärliche Gefühl der Enge in der Höhle ein wenig nachzulassen.
    Dreht euch nicht um.
    Sie verließen den uralten Tempel des Zeus und durchquerten die Haupthöhle.
    Schaut euch auf keinen Fall um.
    Als sie die Treppe an der Steinschräge erreichten, den Weg nach außen ins rote Abendlicht, blieben sie stehen. Rosa atmete tief ein und spürte, wie die frische Luft den Kräuterdunst aus ihrer Lunge vertrieb.
    Alessandro nahm ihre Hand und gemeinsam stiegen sie nach oben.
    Sie traten ins Freie. Sie lächelten einander an.
    Sie schauten nicht zurück.

Eines Tages
    D as Meer war die Welt, vom Anfang bis zum Ende.
    Inmitten des Blaus ein weißer Punkt, die Gaia und ihr Schweif aus Gischt. Die Gaia mit Kurs auf Portugal.
    »Irgendwo dort liegt Sizilien.« Alessandro deutete nach Steuerbord über die rollende, schäumende See.
    Rosa nickte über die Reling nach Backbord. »Und da drüben Lampedusa.« Beide Inseln ruhten unsichtbar hinter dem Horizont. Unsichtbar in ihrer Vergangenheit.
    Sie hatte sich beim Kapitän die Karten vom Mittelmeer und von seinen Küsten angesehen. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie viel Zeit hier draußen verbringen würden, dass ihr Zuhause jetzt keine Insel mehr war, sondern die See. Der ganze weite Süden.
    In Sintra erwartete Iole sie in der Obhut ihres Onkels, im Haus der sonderbaren Signora Institoris. Sarcasmo war bei ihr und Raffaela Falchi. Cristina di Santis war untergetaucht, um unbemerkt so viel wie möglich vom Alcantara-Vermögen abzuzweigen und auf Rosas neue Konten umzuleiten. Im führungslosen Chaos, das die Clans derzeit beherrschte, würde ihr das nicht schwerfallen.
    Und Fundling? Er war wieder verschwunden, auf den Spuren seines Vaters und dessen Nachforschungen. Irgendwann würden sie ihn wiedersehen. Er hatte den Tod überlebt – wahrscheinlich hatte er noch weitere Überraschungen auf Lager.
    »Tausend Kilometer bis zur Straße von Gibraltar«, sagte Alessandro. »Und dann noch ein Stück an der Küste entlang.«
    »Viel Zeit.«
    »Zeit ist nie genug.«
    Sie lächelte. »Jetzt schon.«
    Sie saßen auf dem Oberdeck der weißen Jacht auf einer Couch aus Leder und teilten sich eine dünne Decke. Der Himmel über ihnen war wolkenlos, die Sonne schien und ihre Wärme verriet, dass sie der afrikanischen Küste näher waren als der europäischen.
    Rosas nackte Beine schauten unter dem Saum hervor. Sie hatte das Gefühl, nie wieder frieren zu müssen, weil sie alles Frösteln, zu dem sie fähig war, aufgebraucht hatte. In der Höhle und danach, beim Weg zurück ans Licht. Und weil er da war, um sie zu wärmen.
    Sie hatten denselben Weg genommen, den einst die Lamien gegangen waren, nachdem sie den König von Arkadien gestürzt hatten. Hatte Zeus das Opfer damals akzeptiert? Wie konnte sie sicher sein, solange sie nicht wusste, was sich ihre Ahnen dafür erbeten hatten? Falls es ihr Wunsch gewesen war, dass er den Fluch aufhob, mit dem er alle Arkadier belegt hatte, so waren sie nicht erhört worden. Denn auch die nächste Generation war mit dem Makel der Metamorphose geboren worden und danach hundert weitere bis zum heutigen Tag.
    Wie also würden sie je mit Bestimmtheit wissen, ob sie frei waren? Möglich, dass ihnen vergeben worden war für das Ritual, zu dem der Hungrige Mann sie gezwungen hatte. Aber was war mit dem Gebot, gegen das sie an jedem Tag, mit jedem Atemzug verstießen? Wenn es Panther und Schlange verboten war, sich zu lieben, war dann nicht alles, was sie taten, ein Verstoß gegen das Gesetz der Götter?
    Fickt euch, Götter.
    »Das werden sie gern hören«, sagte Alessandro mit einem Lächeln. Sie hatte ihren Gedanken laut ausgesprochen.
    »Dann wissen sie, dass es von Herzen kommt.«
    »Ich bin sicher, dass es nur um die Hochzeit ging. Alles andere kümmert sie nicht. Solange wir uns nicht in Tempeln anbeten lassen, interessieren sie sich nicht für uns.«
    »Und wenn Sigismondis Recht hatte?«
    »Womit?«
    »Wenn es in Wahrheit darum ging zu verhindern, dass eine Lamia und ein Panthera ein Kind miteinander zeugen? Er hat geglaubt, dass es etwas Körperliches sein könnte. Etwas, das die
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