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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter
Autoren: Thommie Bayer
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Wein und Olivenöl, das bietet er zum Verkauf an, zusammen mit dem Kaffee – er füllt immer abends alles auf, so kann er morgens ohne Kopfzerbrechen loslegen.
    Heute ist der Plan dran. Souad und Valerio tauschen manchmal ihre Zeiten, weil Souad studiert und Valerio nicht auf festen Stunden besteht. Sie stecken zu dritt die Köpfe zusammen, Souad macht die Ansagen, Valerio nickt, Benno schreibt auf. Sie werden hin und wieder unterbrochen von jemandem, der zahlen will oder etwas bestellt, und sind, wie meistens, mit dem ganzen nächsten Monat in einer halben Stunde durch.
    Und irgendwann rafft sich auch der letzte zeitunglesende Nestflüchter auf und geht nach Hause zu seiner Frau oder Familie oder Katze, und sie packen die letzte Spülmaschine voll, wischen die Tische zum letzten Mal, rücken alles wieder an seinen Platz, lassen eine vergessene Jacke an der Garderobe hängen, legen ein vergessenes Dupont-Feuerzeug und ein Notizbuch hinter der Theke bereit, und Souad zieht sich ihre Jacke an und geht. Valerio ist schon weg – zu einer Fete bei einem Cousin in der Nachbarstadt.
    —
    Der Möbeltransporter ist verschwunden, als Peter mit den Sachen kommt. Benno bezahlt bar, das macht die Rechnung zwar nicht günstiger, aber Peter ist es lieber, weil er so immer flüssig ist, und Benno, weil er weniger Geld zum Bankschließfach tragen muss.
    Er räumt alles ein und genießt es, dass niemand etwas will von ihm, niemand ihn beobachtet, er kann einfach so vor sich hin trödeln, wie es eben kommt und passt. Meistens will er nach einem ganzen Tag Trubel nur noch allein sein.
    Kurz überlegt er noch, ob er alles putzen soll, aber dann denkt er, Frau Wernke wird ihn nicht noch mal versetzen. Sie braucht den Job.
    Schließlich fällt ihm nichts mehr ein, womit er den Gang nach oben noch hinauszögern könnte, und er schaltet die Lichter aus, leert die Kasse, packt das Wechselgeld für morgen in die kleine Ledertasche, den Rest in die Geldbombe und schließt ab.
    Die Bank ist nur ein paar Schritte entfernt. Wenn er noch rauchen würde, reichte der Weg hin und zurück nicht mal für eine Zigarettenlänge. Er raucht schon lange nicht mehr. In Amerika war das so beschwerlich, dass er es irgendwann aufgab. Er hatte einfach keine Lust mehr, jedes Mal der Freak zu sein, wenn er sich eine ansteckte. Das war es nicht wert. Und er brauchte das Geld für Stoff.
    —
    Das Treppenhaus hat einige Macken abgekriegt – man wird es renovieren müssen. Benno hört, dass das Radio läuft, und unterdrückt den Impuls, Christine zu bitten, sie solle es abstellen – er hört keine Musik mehr, und es stört ihn, wenn sie einfach nur nebenher läuft. Aber das ist Christines Wohnung und Christines Einzug, also ist eben auch Christines Radio an, und er wird weghören. Er wird es versuchen.
    Sie steht am Fenster und schaut über die Dächer. Er weiß nicht, ob sie ihn bemerkt hat, also klopft er an die offene Tür und gibt sich Mühe, nicht den Rhythmus des Songs aufzunehmen. Es ist Classical Gas von Mason Williams, ein Instrumental aus den Sechzigerjahren, und Benno fragt sich, was das für ein Sender sein mag, der noch solche entlegenen Nummern spielt, da dreht sie sich um, lächelt ihn an, gleichzeitig wird die Musik ausgeblendet, und der Moderator erklärt, dass dieses Stück von Margret für Winnie war.
    Leere Wohnungen sind eine starke Droge. Ob unsere Biologie Endorphine bereithält für den Nestbautrieb, oder ob es die romantische Sehnsucht nach Neuanfang ist – in leeren Wohnungen ist man aufgekratzter und empfindlicher, alle Antennen sind ausgefahren, die Haut ist dünn, und der Atem scheint bis in die Kniekehlen zu strömen. Das wusste Bertolucci, als er den letzten Tango drehte. Christines Haar hat wieder diese gewisse Unordentlichkeit, die ihm schon damals so gefallen hat, obwohl sie es inzwischen halblang und, jetzt gerade, mit einem Stirnband trägt, nicht mehr wie früher lang, von Spangen, Klammern oder Kämmen gebändigt. Inzwischen läuft All Right Now von Free.
    Musik klingt nicht wirklich gut in leeren Räumen, der Fünf-Kilohertz-Anteil wird von den glatten Flächen übermäßig verstärkt, aber in diesem Moment hat es was. Es gefällt ihm.
    »Kennst du dich mit Lampen aus?«, fragt Christine. »Kannst du sie aufhängen?«
    »Ja«, sagt er, ein Plus, ein Minus und ein Erdkabel kann jeder mit dem entsprechenden Gegenstück verbinden, da die Kabel farbig sind und man die Enden nur in einer Lüsterklemme festschrauben muss.
    Sie
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