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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia
Autoren: Annegret Held
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Klemens freute sich, dass Hitler den Krieg verloren hatte, und die Ruhrpottwitwen mussten einsehen, was es mit ihrem glorreichen Führer auf sich hatte.
    – Dat hat ma’ ja nich gewusst, wat dat da alles … wie dat dann … dat da …
    Da lachte meine Großmutter wie verrückt und fragte alle, ob sie noch einen Aufgesetzten wollten.
    – Wenn man sich sein Geschwätz richtig angehört hat, dann konnte man gleich wissen, wodrauf der rausgewollt hat, das merkt man doch, sagte Klemens.
    – Na, man wollt ja kein Vaterlandverräter sein … da hat mer doch uff die Fahne geschworen … Siech heil … mir han doch gedacht, der führt uns zum Siech!! Het nich jeklappt …
    Schon wieder lachte meine Großmutter und schüttete allen noch ein Gläschen ein.
    Mein Großvater Klemens kannte seine Frau gar nicht wieder und überlegte, ob sie vielleicht den Schnaps nicht vertrug.
    – Hör dou doch off … Lonchen … dat es nichts für deych.
    – Ja man muss ja mol ein wenig lustig sein …! Nicht wahr!?
    – Dat is woll wahr, sagten die Ruhrpottwitwen. – Komm, schenk ein, wat hat ma’ nich alles mitgemacht, woll, Vergessen wir dat Ganze. Ma’ muss vergessen können.
    – Erzähl mal wat Schönes!
    – Das Schwein Berta hat Schnupfen.
    Dann trank Apollonia noch einen und strengte sich so an mit der Lustigkeit, dass sie auch noch zu singen anfing, und sie krähte und hob das Glas und sang »Heidewitzka, Herr Kapitän!«, und dann fing sie an zu schunkeln.
    Klemens kam das komisch vor, und er fragte sich, ob Apollonia nicht recht bei Groschen sei. Apollonia aber hoffte, dass sie für heute ihren Beitrag geleistet hatte und Klemens dafür vielleicht morgen die Scheune aufräumen würde. Da sah es noch genauso aus wie vor dem Krieg, und bis ihre Schwestern Hanna und Klarissa einmal wiederkämen, war noch so viel zu tun, es sähe um das Haus herum aus wie ein Schlachtfeld. Sie könnte in den Garten gehen und sich um die Mutter Kathrein kümmern, und Klemens könnte endlich den Stall machen. All die Jahre hatte sie alles alleine gemacht und nun war sie für heute Abend genügend lustig gewesen, damit er ihr mal half.
    Aber Klemens war so lange in der Fremde gewesen, dass er einen unstillbaren Durst hatte nach seinen Kumpanen im Dorf. Er musste sich erst mal umschauen, wer noch da war und wer zurückgekommen war. Wie ein Bier im Honiels schmeckte und ob die Linde blühte und wer Kälber hatte und ob die Sägemehlshaufen auf dem Zimmerplatz ordentlich hoch waren, wie viel Wasser im Schafsbach floss, und dann wollte er das Abendlicht über den Weidehecken sehen. Er wollte wissen, wie es Kurt Siebers ergangen war, er konnte nicht den ganzen Abend am Küchentisch sitzen und Weibergeschwätz hören, er musste sich mit Mannsleuten an die Theke setzen und erzählen, wie es war in Nebraska und was er alles erlebt hatte, und am besten mit einem reden, der sich auskannte in der weiten Welt. Darum trank er sich erst ein Bier und einen Schnaps in Honiels, und dann ging er weiter in die Waldeslust und suchte seinen Freund, den Kurt.
    Aber Kurt war nicht da. Stattdessen stand sein Neffe Theo hinter der Theke, und Theo hatte einen Faconschnitt und war noch grün hinter den Ohren, aber er rauchte schon an einem Zigarrenstumpen herum und lachte verschmitzt und sagte:
    – Ouh, der Klemens! Es datt dann wahr!! Aus der Gefangenschaft! Wann dat der Onkel Kurt gewusst hätt! Dann wär der bestimmt hiergebliebe.
    – Wieso, wo is der dann?
    Theo gab meinem Großvater erst mal einen Schnaps aus, wie sich das gehörte, und zwar einen Kräuterschnaps und obendrauf noch ein Bier, ein herrliches Bier, ordentlich aus dem Zapfhahn, mit einer Schaumkrone und so leuchtend golden, wie er es in den Jahren in Amerika niemals bekommen hatte. Wie es nun so kühl seine Kehle hinunterfloss, davon konnten sie hinter dem blauen Ozean nur träumen, und darum konnte man womöglich doch nicht auswandern, denn so was gab es nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika.
    – Wo is dann der Kurt?
    – Ach der … wo wollt der dann hin? Köln oder Koblenz, der ist ab mit dem Zug, gestern schon, vielleicht sogar Hamburg. Der sagt immer nichts. Er käm dann wieder, es wär geschäftlich.
    – Ei, was macht dann der Kurt für Geschäfte in Hamburg?
    Theo zuckte die Achseln.
    – Hm … Zigarren … oder … Wein … oder … weiß ich was … ich soll hier die Wirtschaft machen.
    – Dou, aha. No, kannst dou das den?? Die vielen Getränke, hey
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