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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel
Autoren: Mary Stanton
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war ebender, dass ihre liebevollen, überfürsorglichen Eltern einige Hundert Kilometer weit entfernt wohnten. Sie schloss die Augen. Plötzlich fiel ihr alles ein. »Ha! Das hatte ich ganz vergessen. Sonnabend ist ja Guy-Fawkes-Tag.« Aus Gründen, die schon zur Zeit des Bürgerkriegs keiner mehr gekannt hatte, feierten die Winston-Beauforts diesen Tag immer mit einer großenParty. Da der fünfte November in diesem Jahr jedoch auf einen Donnerstag fiel, hatte Brees Mutter die Party auf das Halloween-Wochenende vorverlegt. Brees Ausreden, um der Sache fernzubleiben, waren diesmal noch etwas lahmer als gewöhnlich. Jeder wusste doch, dass sie keine Dates mehr hatte, seit Payton die Ratte ihr vor drei Monaten den Laufpass gegeben hatte. »Wohl kaum, Cissy. Auf mich wartet jede Menge Arbeit.« Die klugen Augen ihrer Tante funkelten vielsagend, sodass Bree rasch hinzufügte: »Recherchen.«
    »Ich dachte, dafür sei deine juristische Hilfskraft da.«
    »Petru ist Russe«, erklärte Bree. »Ab und zu braucht er ein bisschen Hilfe mit dem Englischen.«
    »Hm«, meinte Cissy. »Das wird Francesca nicht sonderlich beeindrucken. Aber du musst es ja ausbaden, nicht ich. Dann bleib halt zu Hause. Aber sieh zu, dass du nicht ans Telefon gehst, mehr kann ich dazu nicht sagen.« Sie kramte in ihrer großen Handtasche herum, holte ihre Puderdose heraus und betrachtete sich kritisch in dem kleinen Spiegel. »Ich frage mich, ob ich die Botox-Dosis lieber mal ein bisschen erhöhen sollte. Was meinst du?«
    »Ich mag Gesichter, die Grimassen schneiden können«, erwiderte Bree.
    »Ah ja? In zwanzig Jahren sprechen wir uns wieder. Wenn du erst mal auf die fünfzig zugehst, wirst du die Sache ganz anders sehen.« Sie klappte die Puderdose zu, hauchte Bree einen Kuss aufs Haar und verschwand durch die Hintertür.
    Bree strich Sascha mit der Hand über den Hals. Mehrere Wochen war es jetzt her, seit sie ihn auf dem Friedhof, der ihr Büro umgab, aus einer Falle gerettet hatte. Heute Vormittag war endlich der Acrylverband von seinem Bein abgenommen worden. Der Hund hatte inzwischen erfreulich zugenommen. Unter seinem goldgelben Fell spannten sich die Muskeln. Die Wunden an seinen Flanken und auf seiner Brust waren vernarbt und mit rosiger, gesunder Haut überzogen. »Das ist auch so was wie eine Rettungsaktion, Hund. Ich glaube also doch, ich sollte die arme Frau zumindest mal anrufen. Lass uns zum Büro gehen, dann mach ich es von dort aus.«
    Bree stellte das Geschirr vom Lunch in die Spüle, nahm Sascha an die Leine und machte sich auf den kurzen Weg zur Angelus Street.
    Es war ein schöner Spätoktobertag. Die hohe Luftfeuchtigkeit, die Savannah Ende des Frühjahrs und im Sommer heimsuchte, hatte sich verabschiedet. Das Haus der Familie lag oberhalb der Lagerhäuser und Geschäfte für Schiffsbedarf, die vor zweihundert Jahren ins Steilufer des Savannah gebaut worden waren. Es gehörte zu einer Reihe von umgebauten Bürogebäuden, die durch Holzbrücken und gusseiserne Bögen miteinander – sowie mit der Bay Street – verbunden waren.
    Bree blieb am Zugang zu der gepflasterten Rampe stehen, die zur River Street hinunterführte. Huey’s lockte. Ebenso Savannah Sweets. Bei Huey’s war der Kaffee sehr gut, und Savannah Sweets verkauften die besten Pralinen östlich von New Orleans. Sascha stupste ihr leicht vorwurfsvoll mit dem Kopf gegen das Knie.
    »Du hast recht. Ich geh sofort ins Büro. Pralinen fallen heute flach.« Bree atmete den Geruch des Flusses einund meinte, einen leichten Salzwassergeruch wahrzunehmen, der von dem drei Kilometer östlich liegenden Atlantik herüberkam. Mit einem Seufzer machte sie kehrt, überquerte die East Bay Street, ging die Mulberry Street entlang und bog in östlicher Richtung ab, bis sie schließlich vor Georgias einzigem Mörderfriedhof und dem kleinen Haus im föderalistischen Stil stand, in dem sich das Büro von Beaufort & Compagnie befand: Advokaten für diejenigen, die nach ihrem Tod in die Hölle oder ins Fegefeuer gekommen waren.
    Irgendjemand – höchstwahrscheinlich ihr Sekretär Ron Parchese, denn er war der Pingeligste und zugleich Fitteste ihrer Angestellten – hatte um den schmiedeeisernen Zaun und die eingesunkenen Gräber herum Unkraut gejätet und die Grabsteine von Kletterpflanzen befreit. Die Azaleen, Kamelien, Rosen und Rhododendren, die die Altstadt von Savannah im Frühjahr und im Sommer aufs Prachtvollste schmückten, waren inzwischen natürlich verblüht. Doch im
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