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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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und hörte einfach auf – wenn auch nicht, weil das unvorstellbare Dröhnen und Bersten tatsächlich verstummt wäre. Mogens war taub, vielleicht für immer – und dann kippte das Boot um.
    Mogens wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert, dann schlug er auf einer Wasseroberfläche auf, die sich plötzlich so hart und unnachgiebig wie eine Glasscheibe anfühlte. Instinktiv versuchte er, den Atem anzuhalten und sich anzuspannen, um dem Aufprall wenigstens die schlimmste Wucht zu nehmen, aber ihm gelang weder das eine noch das andere. Der Anprall prügelte ihm die Luft aus den Lungen und raubte ihm nahezu das Bewusstsein. Er wurde zwei, drei Meter weit unter Wasser gedrückt und so wild herumgewirbelt, dass er binnen einer einzigen Sekunde jegliche Orientierung verlor. Sein Gleichgewichtssinn erlosch. Selbst wenn er noch imstande gewesen wäre, Schwimmbewegungen zu machen, hätte er nicht mehr gewusst, wo oben und unten gewesen wäre. Seine Lungen brannten, als wären sie mit flüssigem Feuer gefüllt, und jeder einzelne Knochen in seinem Leib schien zerbrochen zu sein.
    Es war einfach nur Glück, dass er wieder an die Wasseroberfläche kam.
    Gierig sog er sich die Lungen voller Luft. Beinahe sofort packte ihn ein Wasserwirbel und riss ihn erneut in die Tiefe, aber dieser eine, kostbare Atemzug brachte vielleicht die Entscheidung über Leben und Tod. Seine Lungen brannten noch immer unerträglich, und jede noch so winzige Bewegung wurde zu einer schieren Qual – aber er hatte seinen Gleichgewichtssinn zurück, und irgendwie brachte er es auch fertig,einige matte, aber halbwegs zielgerichtete Schwimmbewegungen zu machen, die ihn zurück zur Oberfläche brachten.
    Etwas griff nach seinem Fuß, eine sanfte, aber zugleich auch unerbittlich starke Hand, die ihn wieder zurück in die Tiefe zerren wollte. Mogens geriet in Panik, begann wild um sich zu treten und zu schlagen und begriff im allerletzten Moment, dass er es nur schlimmer machte, je mehr er sich zu wehren versuchte. Obwohl es allen seinen Instinkten widersprach, zwang sich Mogens zur Ruhe, kämpfte den immer heftiger werdenden Impuls nieder, einfach Atem zu holen, und zog seinen Fuß fast behutsam aus der sanften Umklammerung des Haargespinstes. Er kam frei. Eine Sekunde später durchbrach er die Wasseroberfläche und kehrte in die Höhle zurück.
    Auch wenn es ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen war, konnte er doch nur wenige Sekunden unter Wasser gewesen sein. Die Höhle wankte noch immer. Ein gewaltiger, gezackter Riss spaltete die steinerne Kuppel über seinem Kopf in zwei ungleiche Hälften. Aus dem Kanal, der sie hierher geführt hatte, quollen dichte Rauchwolken, in denen es immer wieder grellweiß und orangerot aufblitzte. Der ganze See schüttelte sich. Die Barke trieb, kieloben und in Stücke zerbrochen, nur ein kleines Stück neben ihm. Weder von Miss Preussler und dem Mädchen noch von Graves war irgendeine Spur zu sehen.
    Dann erblickte er eine Gestalt am Ufer.
    Sie stand hoch aufgerichtet und vollkommen reglos da, scheinbar unberührt von dem Chaos aus stürzenden Felsen, Staub und hochspritzendem Wasser, kaum mehr als ein Schatten, und winkte ihm zu, und obwohl Mogens ihr Gesicht nicht einmal schemenhaft sehen konnte, erkannte er sie dennoch sofort.
    Es war Janice.
    Natürlich war es vollkommen unmöglich. Selbst in dem hysterischen Zustand, in dem sich Mogens befand, war ihm klar, dass er einer Halluzination erlag. Janice war tot, neun Jahre zuvor und Hunderte von Meilen entfernt gestorben, und selbst wenn nicht, so konnte sie auf gar keinen Fall hier sein, und schon gar nicht jetzt . Etwas in ihm wollte sie sehen, so einfach war das.
    Und trotzdem zögerte Mogens keine Sekunde, in Richtung des Phantoms loszuschwimmen.
    Die Distanz zum Ufer betrug vielleicht fünfundzwanzig oder dreißig Meter, selbst für einen ungeübten Schwimmer wie ihn keine unüberwindliche Entfernung. Aber rings um ihn herum regneten noch immer Steine von der Decke. Das eigentliche Beben war längst vorüber. Erdbeben, selbst solche von extremer Stärke, währen selten länger als wenige Sekunden, und seit der erste Erdstoß den See getroffen hatte, mussten trotz allem Minuten vergangen sein. Dennoch erzitterte das Wasser, durch das er schwamm, noch immer ununterbrochen, und der Felsendom über seinem Kopf bewegte sich. Ein unheimliches Knistern und Stöhnen erfüllte die Luft, und von Zeit zu Zeit lösten sich noch immer Steine aus dem instabil gewordenen Gefüge
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