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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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zumindest noch ein weiteres Opfer geben, und das wäre dann wirklich sinnlos.
    Keuchend stemmte er sich in die Höhe, machte einen einzelnen Schritt und fiel wieder auf Hände und Knie, als sich der Boden unter ihm bewegte.
    Mogens keuchte vor Schmerz, als seine Handgelenke einfach unter dem Gewicht seines Körpers nachgaben. Im ersten Moment war er fest davon überzeugt, sich die Hände gebrochen zu haben, doch dafür war der Schmerz beinahe zu schlimm. Stöhnend wälzte er sich auf den Rücken, und seine Augen wurden groß vor Entsetzen, als er die Decke über sich sah. Sie bewegte sich. Die gewaltige Kuppel hatte sich verschoben und bekam immer mehr Risse und Sprünge. Sonnenlicht stach in schmalen, scharf begrenzten Bahnen durch den berstenden Fels und ließ den Staub in der Luft in allen Farbendes Regenbogens aufleuchten, ein Anblick von ebenso bizarrer wie tödlicher Schönheit. Die Anzahl der schimmernden Lichtspeere nahm rasend schnell zu, und der Felsendom, noch vor Minuten eine perfekte Kuppel, wie sie präziser nicht von einem Michelangelo hätte entworfen sein können, verschob sich immer mehr ins Bizarre. Ein tiefes, sonderbar stöhnendes Geräusch erklang, nicht mehr das Grollen einer Explosion oder die peitschenden Laute von zerbrechendem Fels, die ein Erdbeben begleiten, sondern tatsächlich etwas wie ein Seufzen, der letzte Atemzug eines gewaltigen, uralten Wesens, das starb. Das Erdbeben war vorbei, aber die Höhle brach zusammen. Jetzt .
    Ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, die noch immer höllisch wehtaten, sprang Mogens in die Höhe und stolperte los. Über ihm verschob sich der Felsendom mit einem grässlichen Knirschen und Mahlen weiter, der massive Stein begann zu zucken und sich in Wellen hin und her zu bewegen wie die Kuppel eines Zirkuszeltes, die vom Sturmwind gepeitscht wird. Auch der Boden unter ihm bewegte sich wieder, nicht mehr mit den brutalen, harten Stößen wie bisher, sondern auf eine ungleich schrecklichere, wogende Art, als wäre er tatsächlich etwas Lebendiges, das sich in Qualen wand. Grelles Sonnenlicht stach Mogens in die Augen, als er auf dem gezackten Riss in der Wand zustolperte. Er war fast blind. Irgendetwas stürzte unmittelbar neben ihm zu Boden und überschüttete ihn mit einem Hagel messerscharfer Steinsplitter, als es zerplatzte, und in der Höhlenwand entstand ein zweiter, schmaler Riss, durch den goldfarbenes Licht hereinbrach, grell wie glühender Stahl.
    Er konnte spüren, wie sich der gesamte Felsendom zur Seite neigte. Der Himmel erbrach Felsen und tödliches Gestein, und plötzlich war der graue Schimmer, der bisher aus der Tiefe des Wassers heraufgedrungen war, einfach verschwunden; die unterseeische Verbindung zum Meer musste zusammengebrochen sein.
    Die pure Todesangst verlieh ihm noch einmal neue Kraft. Mogens spurtete los, wurde von irgendetwas an Schulter undHüfte getroffen und schrie seinen Schmerz hinaus, versuchte aber dennoch verzweifelt, noch schneller zu laufen. Ihm blieben bestenfalls noch wenige Sekunden – aber es waren auch nur noch ein Dutzend Schritte, ein allerletztes Mal, dass er auf sein Glück vertrauen und einfach hoffen musste, nicht doch noch von einem herabstürzenden Felsbrocken erschlagen oder einer jäh aufklaffenden Spalte im Boden verschlungen zu werden.
    Die Gestalt erschien wie aus dem Nichts. Wo gerade noch der rettende Weg ins Freie gewesen war, erhob sich plötzlich ein Schatten, schlank und durch das grelle Licht hinter ihm zu einer tiefenlosen Silhouette ohne Gesicht reduziert, nichts, was wirklich Substanz oder Realität gehabt hätte, sondern nur ein weiterer Spuk, mit dem ihn seine losgelassene Fantasie peinigte. Janice war nicht da. Sie war tot, sie war niemals da gewesen, sondern nur Ausdruck seiner eigenen Unfähigkeit, loszulassen. Aber Mogens war auch nicht mehr in der Verfassung, logisch zu denken. Der winzige Teil von ihm, der vielleicht noch einen Rest von Vernunft bewahrt hatte, schrie in verzweifelter Panik auf, als er sich mitten im Schritt herumwarf und in die Richtung weiterstolperte, in die der ausgestreckte Arm des Phantoms deutete, nicht mehr dem rettenden Ausgang entgegen, sondern auf den zweiten, neu entstandenen Riss im Fels zu, der ungleich weiter entfernt war, hinter Tonnen von wild durcheinander gestürzten Felstrümmern und möglicherweise nicht einmal breit genug, um ihn überhaupt durchzulassen. Aber Logik spielte keine Rolle mehr. Mogens stolperte weiter, prallte gegen einen Felsen,
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