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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Mogens das im allerersten Moment natürlich annahm. Auch das grüne Leuchten erlosch. Es wurde schlagartig und absolut dunkel – eine Dunkelheit, wie Mogens sie noch niemals zuvor erlebt hatte. So wie die erste Erschütterung alle Geräusche aus der Welt getilgt hatte, hatte dieser zweite Schlag jegliches Licht ausgelöscht. Und wie die Geräusche kam es zurück. Plötzlich war das weiße Licht ihrer Grubenlampen wieder da. Ihre Lampen waren nicht erloschen, es war einfach nur dunkel geworden, als wären sie für einen Moment in einen Abgrund zwischen den Wirklichkeiten geschleudert worden, in dem nicht einmal mehr Licht Bestand hatte, und Mogens fand sich, auf dem Rücken liegend und verzweifelt nach Atem ringend, auf dem Boden der Barke wieder. Nicht nur Licht und Geräusche waren für einen Moment verschwunden gewesen, sondern auch aller Sauerstoff.
    Die Barke tanzte wild auf dem Wasser des Sees, der sich von einem Augenblick auf den anderen in einen reißenden unterirdischen Wildwasserbach verwandelt hatte. Das Licht der Grubenlampen tanzte wie wild über die gewölbte Decke und die Wände, und ringsum brodelte und kochte das Wasser, spie siedenden Schaum und Tausende wie in Agonie peitschende haarfeine Arme hoch in die Luft. Das Brüllen und Dröhnen hielt noch immer an und war, soweit das überhaupt möglich schien, sogar noch lauter geworden, der infernalische Lärm einer ungeheuerlichen, nicht enden wollenden Explosion, der in Wellen durch den Schacht herantobte und ihre Trommelfelle zum Zerplatzen zu bringen schien.
    Das Ungeheuer war verschwunden, ebenso wie die meisten Fangarme und auch Graves.
    Miss Preussler schrie irgendetwas, das er nicht verstand. Die Luft schien zu kochen. Mogens klammerte sich mit verzweifelter Kraft irgendwo fest, aber es nutzte nichts. Das Boot bockte wie ein durchgehendes Pferd, das mit aller Kraft seinenReiter abzuwerfen versucht, und Mogens wurde mit grausamer Wucht abwechselnd gegen die Bordwand und den Sarkophag geworfen. Dann begann sich die Barke, immer noch zitternd und wild von einer Seite auf die andere kippend, erneut auf der Stelle zu drehen, als wäre sie in einen Strudel geraten. Die letzte Laterne kippte um, hüpfte wie ein eckiger silberner Ball über das Deck und flog über Bord, als sich das Boot unter einem neuerlichen Schlag hob, und plötzlich begann es ringsum Steine und Felsbrocken zu regnen. Der gesamte Felsendom zitterte, wand und drehte sich wie ein gigantisches lebendes Wesen, das unerträgliche Qualen litt, und begann rings um sie herum in Stücke zu brechen. Steintrümmer prallten auf das Deck, zerschmetterten Holz und Aufbauten und ließen das Wasser aufspritzen. Ein tonnenschwerer Quader traf den hochgezogenen Bug und trennte ihn so sauber ab wie eine steinerne Guillotine, und plötzlich war das Wasser einfach verschwunden . Die Barke krachte mit verheerender Wucht auf den mit Schlamm und Steinen übersäten Grund des Sees und neigte sich knirschend zur Seite, nur um gleich darauf zitternd wieder emporzusteigen, als das Wasser ebenso plötzlich wieder zurückkehrte, wie es verschwunden war.
    Es regnete immer noch Steine. Mogens hatte aufgehört zu zählen, wie oft er getroffen worden war. Er wusste nicht, ob er schwer verletzt oder was mit den anderen war. Alles schien sich in einer einzigen, unendlich langen Sekunde abzuspielen, auch wenn die Zeit zugleich nur so dahinzurasen schien und seine hilflosen Bewegungen zu einer grotesk langsamen Pantomime reduzierte. Er war gefangen in reinem Chaos, einem Orkan aus zuckendem Licht und kochendem Wasser und brüllendem Lärm, und es wurde immer noch schlimmer. Eine Druckwelle raste durch den Tunnel heran, fetzte auch noch die letzten verbliebenen Aufbauten vom Deck der Barke und riss ihm den Atem aus den Lungen. Die leuchtenden Flecken an Decke und Wänden glühten hell auf, wie Ruß, der sich an der Innenseite eines Kamins abgelagert hat und von einer unsichtbaren Stichflamme getroffen wird, und erloschen dann, und ein noch härterer, geradezu unvorstellbarer Schlag traf den gesamten steinernen Dom. Die Erde stöhnte, als hätte sie etwas in ihren Grundfesten erschüttert, und es regnete noch mehr Steine, Felsbrocken und Trümmer. Die Luft vibrierte so stark, dass er sie nicht mehr atmen konnte, und er konnte jeden einzelnen Knochen im Leib spüren. Es konnte einfach nicht schlimmer werden.
    Aber es wurde schlimmer.
    Das Brüllen erreichte eine Lautstärke, die die Grenze des Erträglichen überstieg,
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