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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schlimmeres, aber sie ertappte sich dabei, ihm die grässlichsten Kopfschmerzen seines Lebens zu wünschen –, und Abberline hatte es immerhin geschafft, sich halb aufzurichten und mit Hinterkopf und Schultern gegen die Wand zu lehnen. Von weit her drangen ein dumpfes Hämmern und aufgeregte Stimmen an ihr Ohr. Anscheinend hatten Monros Männer endlich beschlossen, doch einmal nach dem Rechten zu sehen, und versuchten die Tür aufzubrechen. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit.
    Der Einzige, der sich bewegt zu haben schien, war Maistowe. Er war zu Faye geeilt und hatte irgendwo einen Streifen Stoff aufgetrieben – vermutlich aus seinem Hemd gerissen –, mit dem er ebenso ungeschickt wie erfolglos versuchte, die stark blutende Wunde an Fayes Kinn zu verbinden. Das Mädchen weinte schluchzend und krampfhaft und versuchte instinktiv, Maistowes Hände abzuwehren, die ihr nur noch mehr Schmerzen zufügten.
    Bast ging rasch hin, legte ihr die Hand auf die Stirn und löschte zuerst ihren Schmerz und dann ihr Bewusstsein aus. Faye blieb auf den Beinen, aber ihre Augen waren plötzlich leer.
    »Bast, ich …«, begann Maistowe, aber Bast unterbrach ihn mit einer sanften Geste und einem Kopfschütteln. »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Jacob«, sagte sie. »Ich kann nicht bleiben. Nicht jetzt. Versprechen Sie mir, sich um Faye zu kümmern?«
    Sie hätte Maistowe gezwungen, es zu tun, wäre es nötig gewesen, aber das war es nicht. Er nickte, und sie spürte, dass es ehrlich gemeint war. Mehr noch: Es mochte aussehen, als wäre Faye auf seine Hilfe angewiesen, aber in Wahrheit war es genau andersherum.
    Wortlos ging sie weiter, wich geflissentlich Abberlines Blicken aus und ließ sich neben Isis auf die Knie fallen. Ihre Augen standen immer noch offen, und da war immer noch dieser Ausdruck maßlosen Erstaunens darin, als könne sie einfach nicht begreifen, wie simpel, wie grotesk einfach und beinahe schon lächerlich das Ende sein sollte. Nach allem, was sie überstanden und erlitten hatte, nach Jahrtausenden des Kampfes und unzähligen Siegen über vermeintlich unbesiegbare Feinde war es schließlich eine verbitterte alte Frau gewesen, die sie am Ende besiegt hatte.
    Bast schob die Arme unter ihren Körper und hob sie auf. Isis war genau so groß wie sie, aber es kam ihr vor, als wöge sie fast nichts.
    Langsam drehte sich Bast herum und ging zu der leer stehenden verwüsteten Zelle zurück, ihre tote Schwester auf den Armen. Sie wartete auf die Tränen, die jetzt ihre Augen füllen sollten.
    Aber sie kamen nicht.

EPILOG
    Sie war mit einem Gefühl von Endgültigkeit in dieses Land gekommen, und sie verließ es mit dem sicheren Wissen desselben Gefühls. Es war nichts, was sie wirklich benennen konnte. Weder konnte sie es in Worte fassen, noch in Gedanken oder auch nur in Gefühlen beschreiben. Aber es war da; die absolute, vollkommene Gewissheit, dass etwas sehr Großes und Altes zu Ende gegangen war.

    »Sie sehen traurig aus.«
    Abberlines Stimme riss sie nicht nur aus ihren düsteren Überlegungen, sondern veranlasste sie auch dazu, ihn mit einem etwas aufmerksameren Blick zu mustern und für sich zu der Einschätzung zu gelangen, dass Abberline einen mindestens ebenso traurigen Anblick bieten musste wie sie: Sein rechtes Bein steckte in einem Gipsverband, und sein Fuß lag auf der Bank neben ihr, und sein linker Arm hing in einer Schlinge, um die verdrehte Schulter zu entlasten. Obwohl mehr als zwei Tage vergangen waren, war sein Gesicht auch noch immer so blass wie das eines Toten, sah man von der beeindruckenden Sammlung blauer Flecken und Kratzer und Hautabschürfungen ab, die es zierte. Bast überlegte ernsthaft, ob einige davon vielleicht von Monro stammten, verwarf diesen Gedanken dann aber als unrealistisch. Sie hatte Monro noch an diesem Morgen gesehen, und sein Gesicht war vollkommen unversehrt gewesen, sah man von dem Turban aus weißem Verbandsmull ab, den er so stolz wie ein alter Kämpe eine Kriegsverletzung trug. Wären die beiden tatsächlich aneinandergeraten, hätte sie vermutlich Mühe gehabt, ihn wiederzuerkennen.
    »Traurig?«, antwortete sie mit einiger Verspätung und einem angedeuteten Kopfschütteln. »Nein. Warum sollte ich?«
    »Weil Sie mich verlassen?«, schlug Abberline vor.
    »Das hätten Sie gern, was?«
    »Ja«, antwortete Abberline unverblümt. »Selbstverständlich hätte ich das gerne. Was haben Sie gedacht?« Er zog eine wehleidige Grimmasse. »Aber man bekommt nun einmal nicht immer, was
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