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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Trotzdem fuhr sie fort: »Ich habe mich selten so wohl gefühlt, sieht man mir das etwa nicht an?«
    Bast war vollkommen verwirrt. Sie fühlte sich hilflos, durcheinander und so verstört wie schon seit langer Zeit nicht mehr, und in ihrem Kopf schien plötzlich nur noch Leere zu herrschen. Was ging hier vor?
    Sie setzte dazu an, etwas zu sagen, brachte aber nur ein hilfloses Schulterzucken zustande und drehte sich halb herum. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, erschien es ihr beinahe selbst wie ein kleines Wunder, dass hier unten überhaupt noch jemand am Leben war.
    Der Drache hatte aufgehört zu toben. Er bewegte sich noch, aber nur schwach, und aus seinem Maul lief immer mehr dunkles, zähflüssiges Blut. Monro und Abberline lagen beide am Boden, bewusstlos, vielleicht auch tot. Kapitän Maistowe blutete aus einer großen Platzwunde am Kopf; auch er rührte sich nicht. Einzig Mrs Walsh schien mehr oder weniger mit dem Schrecken davongekommen zu sein, auch wenn Bast nicht ganz sicher war, dass sie dabei wirklich einen guten Tausch gemacht hatte. Sie hockte mit angezogenen Knien nur ein kleines Stück neben Faye an der Wand und hatte die Fingernägel so fest in den Stoff ihres Kleides gekrallt, dass Blut zu Boden tropfte. Ihre Augen waren leer.
    So mühsam, als müsse sie gegen unsichtbare Ketten ankämpfen, wandte sie sich wieder zu Isis um und las nichts als Spott in deren Augen.
    »Nun verschwinde schon«, sagte Isis. »Nimm das Mädchen und bring es in Sicherheit. Ich sorge hier schon für Ordnung, keine Angst.«
    Bast starrte sie an. »Du lässt uns … gehen?«, murmelte sie ungläubig.
    »Natürlich – was hast du denn erwartet, Dummerchen?« Isis streckte die Hand aus und ließ sich mit zusammengebissenen Zähnen auf die Beine helfen. Sie schwankte leicht, aber Bast spürte, dass sie sich rasch erholte.
    »Aber ich dachte, du wärst gekommen, um …«, murmelte Bast hilflos, schüttelte den Kopf und setzte von neuem an. Horus hatte gesagt, sie wäre unterwegs hierher, um das Mädchen zu töten.
    »Und da hast du natürlich sofort geschlossen, dass er von mir gesprochen hat!« Isis hatte ihre Gedanken gelesen. »Ich dachte eigentlich, dass du mich besser kennst.«
    »Wen sollte er sonst gemeint haben?« Sie fühlte sich nicht wohl dabei, diese Frage zu stellen, und sie ahnte, dass sie im Begriff stand, Isis wirklich zu verletzen … aber alles war so verwirrend. Plötzlich schien nichts mehr einen Sinn zu ergeben.
    »Warum findet du es nicht heraus?«, sagte Isis böse. »In solchen Dingen warst du doch immer schon besser als ich.« Sie lachte, ohne allzu viel echten Humor, und deutete auf den sterbenden Drachen. »Warum hebst du nicht einfach seinen Schwanz hoch und siehst nach, ob er vielleicht eine Sie ist?«
    Bast war nicht nach Scherzen zumute. »Horus ist tot«, murmelte sie schließlich.
    Jetzt war es Isis, die sie anstarrte, lange.
    »Hast du ihn getötet?«
    »Ja«, antwortete Bast, hob die Schultern und fügte hinzu: »Es tut mir leid. Er hat mir keine Wahl gelassen … aber wenn Horus dich nicht gemeint hat, was suchst du dann hier?«
    »Deine Dankbarkeit ist immer wieder herzerfrischend.« Isis schnaubte. »In Whitechapel geschieht nicht viel, von dem ich nichts mitbekomme. Ich wollte einfach nur sichergehen, dass deinen neuen Freunden nichts zustößt.« Sie machte eine Kopfbewegung auf Mrs Walsh und ließ erneut dieses abfällige Schnauben hören. »Wo dein Herz doch so sehr an ihnen hängt.«
    »Es tut mir leid«, sagte Bast erneut. Es sollte eine Entschuldigung sein, aber es klang nicht so, und sie war auch ziemlich sicher, dass es bei Isis auch nicht so ankam. Sie fühlte sich elend. Sie konnte sich doch nicht so geirrt haben!
    »Ich wusste immer, dass es ein schlimmes Ende mit Horus nimmt«, seufzte Isis. »Aber dass du es sein würdest …«
    »Wegen Horus …«
    »Wenn du es nicht getan hättest, hätte ich ihn wohl irgendwann selbst umgebracht«, fiel ihr Isis ins Wort. Sie gab sich einen sichtbaren Ruck. »Ihr solltet jetzt gehen, bevor Monros Leute die Tür aufbrechen und nachsehen, wo er so lange bleibt.« Sie zog seufzend die Augenbrauen zusammen. »Das ist wieder mal typisch. Ihr habt euren Spaß, und ich kann hinter euch aufräumen.«
    Ein leises Stöhnen erklang, und Bast drehte erschrocken den Kopf. Es war Abberline, der unsicher die Augen aufschlug und sich benommen hochzustemmen versuchte, aber sofort und mit einem schmerzhaften Zusammenpressen der Zähne wieder zurücksank.
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