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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille
Autoren: Petra Durst-Benning
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für sie erarbeitet hatte. Zu dem Bankdarlehen, für das als Sicherheit eine Hypothek auf das Hotel diente, kam noch eine stattliche Summe an Eigenkapital, das Theo aus einem frei werdenden Sparvertrag zuschoss.
    Julie hatte eine Art Déjà-vu gehabt, als Theo und sie ihre Unterschrift unter den Vertrag setzten: Genauso war es Rosanna und Simone ergangen, damals, im Jahr 1902. Auch sie hatten ihr Geld in einen Topf geworfen und waren dadurch aneinander gebunden, »in guten wie in schlechten Zeiten«, hätte Julie beinahe angefügt. Einen Unterschied gab es allerdings: Theo war weder psychopathisch veranlagt noch liebte sie Julie krankhaft. Sie war einfach eine mutige Geschäftsfrau, die ihre Chance witterte und bereit war, dafür ein Risiko einzugehen.
    Der Architekt, ihr Freund, der zu jener Zeit nicht viel zu tunhatte, bot ihnen an, zu einem Freundschaftspreis die Bauanträge für die Umbaugenehmigung zu erstellen und später die Bauleitung zu übernehmen. Ohne ihn hätten sie es bestimmt nicht geschafft. Deshalb hatte Julie vor, ihn in ihrer Rede besonders zu erwähnen.
    Die Leute von der Stromversorgung, der Heizungsbauer, die Männer vom Sanitärfachgeschäft, der Zimmermann mit seinem Gesellen – den ganzen Sommer und Herbst des letzten Jahres über hatte ein Handwerker dem anderen die Klinke in die Hand gegeben. An manchen Tagen gab es so viele Baustellen gleichzeitig, dass man auf dem Weg durch die Empfangshalle über Heizungsrohre stolperte, oben an der Treppe über Werkzeugkoffer steigen und sich weiter hinten im Gang zwischen Paletten von Fliesen und Waschbecken hindurchzwängen musste.
    Wann immer Julie dem Hof einen Besuch abstattete, hatte sie das Gefühl, auf der Stelle zu treten, doch schon im Dezember 2001 war die Innenrenovierung abgeschlossen. Zwanzig Zimmer, jedes mit eigenem Bad und WC, warteten auf ihre Gäste. Was noch fehlte, waren die Räumlichkeiten für den Kunstunterricht, die im Spicher Platz finden sollten.
    So zügig die Arbeiten im letzten Jahr vorangegangen waren, so schwierig hatten sie sich in diesem Jahr gestaltet: Zuerst hatte die Trockenbaufirma, die mit dem Umbau des Spichers betraut gewesen war, Konkurs angemeldet. Dann waren falsche Fliesen für den Boden in den Arbeitsräumen geliefert worden. Der Plattenleger hatte nicht verstehen können, warum Julie und Theo nicht einfach die schwarzen Fliesen nahmen. Die seien doch äußerst elegant, fand er. Schwarzer Granit in einem Schwarzwälder Berghof? Das war für Julie und Theo schlichtweg undenkbar. Ganz gleich, ob es galt, Wandfarbe für die Gästezimmer auszusuchen oder Lampen für den Speisesaal – immer stellten sich die beiden jungen Frauen dieselbe Frage: Passt das, was wir aussuchen, zum »Kuckucksnest«? Der Umbau sollte eine Hommage an den alten Hof sein, alles Neue sollte Rosannas frühere Dekorationen mit den bunten Stoffen und Kissen ergänzen. Das sei der »Kuschelfaktor«, sagte Theo und meinte damit die Geborgenheit, die das Haus seinen Bewohnern bieten sollte. Ein Übermaß an Eleganz wäre hier nur fehl am Platz gewesen.
    Am Ende wurde doch noch alles rechtzeitig fertig, auch wenn die letzten Zeichentische erst vorgestern auf den Berg gebracht worden waren und noch ein paar Stühle fehlten. Aber wen kümmerte das?
    Während sich der Architekt dem Umbau des Spichers widmete, hatten Theo und Julie Zimmerpreise und Kursangebote kalkuliert und sich um die Vermarktung des Arthotels gekümmert.
    Die Geschichte wiederholt sich – dieses Gefühl befiel Julie erneut, als sie beim Baedeker-Verlag wegen eines Eintrags in den Schwarzwaldführer nachfragte und das Hotel gleichzeitig im Prospekt des Tourismusverbandes Südlicher Schwarzwald vermerken ließ.
    Die Geschichte wiederholt sich nicht!, widersprach sich Julie selbst, nachdem sie sich zu den Breuers aufgemacht hatte, um ihnen eine Zusammenarbeit anzubieten. Sie wollte verhindern, dass zwischen ihnen böses Blut entstand wie zwischen Rosanna und den Breuers vor hundert Jahren. Es gab zudem auch einen ganz praktischen Grund, der dafür sprach, die alten Feindseligkeiten nicht wieder aufleben zu lassen: Das Arthotel hatte gerade einmal zwanzig Zimmer anzubieten – viel zu wenig, wenn ihre hoffnungsvollen Prognosen zutrafen. Wäre es da nicht sinnvoll, gemeinsame Anzeigen in den Katalogen zu schalten?, hatte Julie Martina und
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