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Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition)
Autoren: Stiff Chainey
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dem Pretty Boy die Hand und betritt dann die Baccara Bar. Ein Typ mit vernarbtem Gesicht rempelt ihn beim Rausgehen an. Youssef sieht ihm nach, geht aber weiter zur Bar und klopft mit dem Feuerzeug auf die Theke, bis eine der Bedienungen auf ihn aufmerksam wird.
    «Ich will mit Nepal sprechen!»
    Sie verdreht die Augen. «Schätzchen, den will jeder sprechen!»
    «Es ist wichtig!»
    « Das sagt auch jeder!»
    Youssef packt die Kleine am Arm. «Hör mal zu, du kleine Fotze! Rede ich kyrillisch? Ich habe laut und deutlich gesagt: Ich will mit Nepal sprechen! Also beweg deinen Arsch!»
    Nepal erscheint in der Tür zum schwarzen Raum.
    «Ich muss mit dir reden»
    Nepal beobachtet seinen Bruder und zündet sich eine Zigarette an. «Wie läuft’s bei dir? Was macht die Familie?»
    Youssef zuckt mit den Achseln.
    «Ich brauch ‚nen Job, Mann!»
    «‚nen Job?»
    «Ich bin fertig mit dieser Scheiße!»
    Nepal grinst. «Was habe ich dir gesagt: Das macht dich kaputt. Aber du wolltest ein ehrliches Leben, in einer beschissenen Burgerbude arbeiten!»

Momentaufnahme und Retrospektive
    «Erstaunlich, dass der Mensch nur hinter einer Maske ganz er selbst ist.»
    Edgar Allan Poe

    Es ist neun Uhr abends, als ich nach Hause komme. Mein Alter sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher und sieht einen Boxkampf. Die Flasche Single Malt steht halb leer auf dem Tisch. Daneben ein Teller mit seiner geliebten Foie gras .
    «Wo warst du?», blafft er, als ich versuche, an ihm vorbeizuschleichen.
    «War bei Andor, wir haben gezockt», antworte ich mit dem richtigen Maß an Schuldbewusstsein.
    Er verzieht angewidert den Mund und glotzt feindselig in meine Richtung. Ich kann ihn nicht länger ansehen und senke den Blick, bereit alles über mich ergehen zu lassen.
    « Gezockt . Wenn ich das schon höre! Sinnlose Ballerspiele! So was hätte mir früher mal einfallen sollen! Meine Zeit so zu vergeuden. Gezockt !»
    Je lauter er schreit, desto mehr Flecken tauchen in seinem Gesicht auf. Überall, an Wangen, Stirn, Hals. Sie leuchten scharlachrot. Mit diesen Flecken sieht er noch hasserfüllter aus.
    «Junge! Entweder du wirst zur Schwuchtel oder ein verfluchter Amokläufer.»
    Schwuchtel betont er vollkommen falsch. Aus seinem Mund klingt es eine Spur zu süß, zu nett. Zu wohlmeinend. Trotzdem spüre ich den Schmerz in meinem Magen wie einen Messerstich.
    «Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!»
    Ich drehe mich von ihm weg, bekomme kaum Luft, also starre ich auf den Boden und konzentriere mich auf das Atmen. Die Bilder aus dem Fernseher reflektieren auf der polierten Marmoroberfläche: immer noch der Kampf. Beide Boxer hängen sich blutend in den Armen, beide haben keine Kraft mehr. Sie sind vollkommen erschöpft, die Gesichter angeschwollen und demoliert. Zwischen ihren Lippen blitzt immer wieder der Mundschutz auf.
    «Das würdest du niemals durchhalten», sagt er und nickt ehrfürchtig in Richtung Fernseher. Er spricht akzentuiert, ganz deutlich, damit die Verachtung in seinen Worten auch richtig zur Geltung kommt.
    Ich denke, mein unterwürfiges Grinsen reicht als Antwort, mein Vater deutet das jedoch anders.
    «Du stolzierst hier durch‘s Haus, als wärst du ein verdammtes Genie!», brüllt er und leckt sich über die glänzenden Lippen.
    Ich schweige. Genie. Seit dem beschissenen IQ-Test, den ich in der Therapie ausgefüllt habe, benutzt er diesen Begriff abfällig. Das Genie ist nichts Gutes mehr, denn in meinem Fall ist es zum Scheitern verurteilt. Ich bin ein degenerierter Penner, ein Nichts und dennoch sein Sohn. Es sind also auch seine Gene, und das kann er nicht begreifen.
    Sein Gesicht hat denselben Ausdruck, den man hat, wenn man langsam etwas Bitteres zerkaut. Entrückt, verkrampft, unmenschlich. Doch ich kann durch diese Maske hindurchsehen. In seinem Blick liegt jetzt nicht mal mehr Verachtung. Er sieht mich so an, wie er auch ein Stück verfaultes Fleisch ansähe.
    «Das Klaviergenie , dass ich nicht lache. Wieder so ein Spleen von dieser dummen Gans, aus dir einen Künstler machen zu wollen. Grandiose Idee . Auf dem Kanzleijubiläum hast du vor allen Leuten versagt. Schostakowitsch will er spielen, der Kretin!»
    Andor würde jetzt zitieren: «Der Familienvater ist zwar dem Kind gegenüber, zeitlich gesehen, der erste Vermittler der gesellschaftlichen Autorität, ist aber, inhaltlich gesehen, nicht ihr Vorbild, sondern ihr Abbild.»
    Und was für ein Abbild: ein aufgedunsenes Schwein, paradoxerweise vollgestopft mit Foie
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