Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition)
Autoren: Stiff Chainey
Vom Netzwerk:
verlässt. Erschreckend auch, wie sich die Menschen gleichen, wenn sie verletzt worden sind. Es ist, als hätte man ihnen das Eigene genommen und eine gleichförmige Masse hinterlassen, seelenlose Hüllen.
    Ich stand in diesem dunklen Raum und starrte sie an. Der Mensch denkt sich im Angesicht des Todes in eine schillernde Blase der Unbekümmertheit, sieht sich selbst ohne Angst. Alles liegt noch vor ihm. All diese Sommer. Doch in Wahrheit sind wir bereits verkrüppelt, und so verkrüppelt wie wir sind, sind auch unsere Taten.
    Es ist ein Art dämonischer Trieb, der uns innewohnt und den jeder spüren kann, wenn er sich hinab in den freien Fall begibt.
    Unser Herz ist voller Finsternis. Joseph Conrad schrieb: «Der Mensch ist ein bösartiges Tier. Seine Bösartigkeit muss organisiert werden. Das Verbrechen ist eine notwendige Bedingung der organisierten Existenz. Die Gesellschaft ist ihrem Wesen nach kriminell, sonst würde sie nicht existieren. Der Egoismus rettet alles – absolut alles –, was wir hassen, was wir lieben. Wir sind allein. Immer. Es ist wie ein Wald, in dem niemand den Weg kennt. Man ist verloren, während man noch ruft: ‚Ich bin gerettet!’»

Tagebuch Nimkin

    Für diese Zeilen benötige ich keine Imprimatur. Meine letzten Gedanken sollen ruhig gegen das Leben derer treten, die sie lesen.
    Wenn die Nacht kommt und ich in den Nebel abtauche, die vereinsamten Straßen entlangschleiche wie eine streunende Katze, dann fühle mich wohl. Es ist wie das langsame Eintauchen in eine andere Welt, die klirrende Kälte, das einsame Neonlicht, die Ratten, die unten am Wasser um ein Stück Aas kämpfen. Das ist Heimat. Die verlassenen Hinterhöfe, die einsamen Kirchen, die leeren Schaufenster, in denen tote Fliegen auf dem Rücken liegen, sind Heimat.
    Während die ganze Welt in Bewegung ist, während immer neue Revolutionen ausgerufen werden, während alles schneller wird, dynamischer, effizienter, bleibt für mich die Zeit stehen. Momente der Klarheit.
    Sie wird kommen. Wir werden uns wortlos lieben, irgendwo da draußen, in einem Hauseingang, auf dem nackten Beton eines leeren Parkplatzes, zwischen stinkenden Mülltonnen. Irgendwo. Sie wird mich schweigend ansehen, alles, was uns bleibt, ist das Fleisch und der Geruch unserer Verschmelzung, untermalt von wildem Keuchen.
    Manchmal wünschte ich, Musik würde ertönen, die Musik großartiger Musiker. Ekstatische Klänge, die das Hier und Jetzt endgültig verwischen. Doch immer fährt nur ein Auto vorbei oder es ist eine Katze, die einsam in der Dunkelheit miaut.
    Sie findet mich . Ich sehe auf die Knöchel meiner Finger, dort steht, in Frakturschrift tätowiert, SEIN und NEIN.
    Ich warte sozusagen in der Negation befindlich. Mein Motto war immer das Verwischen jeder Spur. Immer nur die Fährten für eine angestrengte Schnitzeljagd auslegen. Ein Sujet, auf das sich alle anderen einlassen müssen. Meine Welt bleibt die Welt zwischen Wort und Fleisch und somit nur ein Dasein im Ungewissen, denn was wissen wir schon?

    Vielleicht ist die Liebe nur eine Spur, eine Ahnung in unserem kollektiven Gedächtnis. Vielleicht ist auch eine Berührung nur etwas Konstruiertes, etwas ganz und gar Erlerntes, etwas, das wir so tun, weil man es eben so tut.
    Doch das kümmert mich nicht. Ich schleiche durch Straßen, die auf Knochen erbaut worden sind.
    Ich forme Wahrheiten, die nur ich selbst legitimiere. Nächte sind mein Möbiusband.

Zwiegespräch über etwas Totes

    Hör auf damit. Warum? Weil ich da nicht gern drüber rede, das ist doch klar, oder? Außerdem ist das schon Jahre her. Sicher ist das Jahre her. Ich war dreizehn damals. Naja, natürlich ist es nicht ewig her, was denkst du?
    Ja, ich kann mich sehr gut an alles erinnern, und nein, ich hab da nichts drüber gewusst. Warum fängst du jetzt damit an? Ach? Wirklich? Nein, ich hatte das nicht im Kopf, das es sich jährt. Woher … ach ja, der Stadtanzeiger. Diese Schülerzeitung. Was ich an der auszusetzen habe? Die haben meinen Bruder als den absolut psychopathischen Mörder hingestellt. Was? Du kanntest ihn doch gar nicht, also red nicht! Nein, er war kein psychopathischer Mörder.
    Ach, du bist ja einer von den ganz Schlauen, was? Woher weißt du denn, dass er den Hillemann überhaupt töten wollte? Haben sie das geschrieben, ja, diese Drecksschleudern?
    Vielleicht wollte er ja was ganz anderes? Nur mit ihm reden oder sich entschuldigen? Dann hätte er nicht seine Frau umgebracht. Stimmt. Er hat sie erstickt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher