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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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pointierte Prosa: nicht die Fähigkeit, etwas zu verstehen – das Geschick, es zu schreiben.
    Heuristiken sind schlichte Faustregeln, welche Dinge vereinfachen, so dass sie leicht zu übertragen sind. Der Hauptvorteil von Heuristiken besteht allerdings darin, dass der Benutzer weiß, dass diese Regeln nicht perfekt, sondern lediglich ein zweckdienliches Hilfsmittel sind; er ist daher auch weniger in der Gefahr, einem Leistungsversprechen auf den Leim zu gehen. Gefährlich werden sie in dem Moment, wenn wir das aus dem Blick verlieren.
    IV. Über dieses Buch
    Der Weg zur Idee der Antifragilität war, gelinde gesagt, nichtlinear. Eines Tages fiel mir auf, dass Fragilität – ein wissenschaftlich bislang nicht definierter Begriff – beschrieben werden konnte als Unfähigkeit, Unbeständigkeit zu vertragen, und dass das, was Unbeständigkeit nicht verträgt, auch Zufälligkeit nicht verträgt, Unsicherheit, Irrtümer, Stressoren und so weiter. Denken Sie an irgendetwas Zerbrechliches, beispielsweise Gegenstände in Ihrem Wohnzimmer wie ein Glasrahmen, das Fernsehgerät oder – noch besser – das Geschirr in der Vitrine. Wenn Sie diese Dinge als »fragil« bezeichnen, dann ist damit zwangsläufig der Wunsch verbunden, dass sie in Ruhe gelassen werden, dass die Verhältnisse um sie herum ordentlich und vorhersehbar bleiben mögen. Ein fragiles Objekt würde sehr wahrscheinlich von einem Erdbeben oder dem Besuch Ihres hyperaktiven Neffen nicht profitieren. Darüber hinaus kann alles, was ein kritisches Verhältnis zur Unbeständigkeit hat, auch mit Stressoren, Gefahren, Chaos, abruptem Wechsel, Unordnung, »unvorhergesehenen« Folgen, Unsicherheit und vor allem dem Vergehen von Zeit nicht gut fertig werden.
    Antifragilität ergibt sich mehr oder weniger aus dieser Definition von Fragilität. Antifragilität kommt mit Unbeständigkeit und all den genannten Formen der Unsicherheit gut zurecht. Auch die Zeit kann ihr nichts anhaben. Und es lässt sich eine tragfähige und hilfreiche Brücke zur Nichtlinearität schlagen: Alles, was in irgendeiner Form nichtlinear reagiert, ist gegenüber einer bestimmten Quelle der Zufälligkeit fragil oder antifragil.
    Nun ist der Umstand sehr bemerkenswert, dass diese offensichtliche Tatsache – alles Fragile hasst Unbeständigkeit und umgekehrt – dem wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs bis heute vollständig entgangen ist. Tatsächlich vollständig! Andererseits habe ich mit dem Studium der Anfälligkeit von Dingen für Unbeständigkeit den größten Teil meines Lebens, immerhin zwei Jahrzehnte, zugebracht, und zwar in einer zugegebenermaßen sonderbaren Branche – worüber ich mir im Klaren bin; ich verspreche, später detailliert darauf einzugehen. Mein zentrales Anliegen in diesem Beruf bestand darin, Elemente aufzuspüren, die »Volatilität lieben« oder »Volatilität hassen«; ich musste also lediglich die Ideen aus meinem Spezialgebiet, dem Finanzsektor, auf die breiter gefasste Frage ausdehnen, wie unter unsicheren Vorzeichen in allen möglichen Bereichen Entscheidungen getroffen werden, von der Politikwissenschaft über die Medizin bis hin zu Menüfolgen. 4
    In der sonderbaren Berufssparte, in der sich Leute mit Volatilität befassen, gibt es zwei Typen. Da sind zum einen die Akademiker, Autoren und Kommentatoren, die zukünftige Ereignisse studieren und Bücher und Aufsätze schreiben; und zum anderen die Praktiker, die sich nicht mit zukünftigen Ereignissen abgeben, sondern zu verstehen versuchen, wie bestimmte Dinge auf Volatilität reagieren (allerdings sind diese Praktiker meistens mit ihrer Praxis so beschäftigt, dass sie keine Bücher, Aufsätze, Papers oder Reden schreiben, keine Gleichungen und Theorien aufstellen und nicht von hochgradig verstopften, honorigen Akademiemitgliedern geehrt werden). Der Unterschied zwischen den beiden Kategorien ist entscheidend: Wie wir gesehen haben, ist es wesentlich einfacher und leichter zu verstehen, ob etwas durch Unbeständigkeit geschädigt werden kann – ob es also fragil ist –, als schädliche Ereignisse wie die bekannten überdimensionierten Schwarzen Schwäne vorauszusagen. Allerdings verstehen das normalerweise nur die Praktiker (beziehungsweise Menschen, die eher zum Handeln neigen).
    Die (gar nicht so unzufriedene) Chaosfamilie
    Noch eine formale Anmerkung. Wir haben gesehen, dass Fragilität oder Antifragilität den potentiellen Nutzen oder Nachteil bezeichnet, der sich durch Einwirkung von etwas mit
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