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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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können also gleich zur Praxis übergehen.
    Kein Mumm, keine Überzeugungen
    Im Einklang mit meinem Praktikerethos lautet die Regel für dieses Buch folgendermaßen: Was ich angerichtet habe, löffle ich auch aus.
    Ich habe in jeder Zeile, die ich in meinem Berufsleben verfasst habe, ausschließlich über Dinge geschrieben, die ich auch wirklich getan habe; und wenn ich anderen empfohlen habe, Risiken einzugehen oder zu vermeiden, dann waren das grundsätzlich nur Risiken, denen ich mich selbst gestellt habe oder denen ich aus dem Weg gegangen bin. Wenn ich falsch liege, bin ich der Erste, der darunter zu leiden hat. Ich hatte im Schwarzen Schwan vor der Fragilität des Bankensystems gewarnt, und ich hatte Wetten auf den Zusammenbruch des Systems abgeschlossen (vor allem wenn meine Botschaft auf taube Ohren stieß); ich hätte es andernfalls für unmoralisch gehalten, darüber zu schreiben. Dieser persönliche Bezug erstreckt sich auf jeden Bereich, auf das Gesundheitswesen, auf technische Innovationen, auf ganz schlichte Alltagsfragen und vieles mehr. Ich will damit nicht sagen, die eigenen persönlichen Erfahrungen bildeten eine Datenmenge, aus der sich Schlussfolgerungen für eine Idee ableiten ließen; mir geht es lediglich darum, dass solche Erfahrungen eine bestimmte Auffassung mit dem Siegel der Authentizität und Aufrichtigkeit versehen. Erfahrung kann ohne die Rosinenpickerei auskommen, der wir häufig in Studien – vorzugsweise in solchen, die sich »empirisch« nennen – begegnen. In derartigen Studien erliegt der Verfasser, wenn er auf Muster aus der Vergangenheit stößt, allein schon aufgrund der Datenmenge der Versuchung, eine plausible Geschichte zu erfinden.
    Des Weiteren würde ich mir korrupt und unmoralisch vorkommen, wenn ich als Bestandteil des eigentlichen Schreibprozesses ein Thema in einer Bibliothek nachschlagen müsste. Dieser Umstand dient als – einziger – Filter. Wenn ein Thema mich nicht so sehr interessiert, dass ich es aus Neugier oder anderen persönlichen Gründen auf jeden Fall nachschlage beziehungsweise das bereits getan habe, dann sollte ich eben überhaupt nicht darüber schreiben. Das heißt nicht, dass ich Bibliotheken (reale und virtuelle) ablehne; sie sollten nur einfach nicht die Quelle einer Idee sein. Studenten bezahlen Studiengebühren dafür, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Aufsätze über Themen schreiben, für die sie sich das Wissen aus einer Bibliothek besorgen müssen; ein Profi, der im Gegensatz zum Studenten dafür bezahlt wird, dass er schreibt, und der von anderen ernst genommen wird, sollte einen besseren Filter benutzen. Ich akzeptiere nur ausgereifte Ideen, mit denen ich schon lange umgehe – und solche, die der Wirklichkeit entspringen.
    Es ist an der Zeit, die nicht sehr verbreitete philosophische Vorstellung der doxastischen Verpflichtung wiederzubeleben: eine bestimmte Art von Überzeugungen, die über das reine Reden hinausgehen und denen wir uns so verpflichtet fühlen, dass wir bereit sind, auch persönliche Risiken für sie einzugehen.
    Wer einen Betrüger als solchen erkennt …
    In der Moderne wurde Moral durch den Juristenjargon ersetzt; jeder kann das Gesetz mit Hilfe eines guten Rechtsanwalts austricksen. Und so werde ich die Verlagerung der Fragilität oder besser gesagt den Diebstahl der Antifragilität durch Leute, die das System »arbitrieren«, als solche brandmarken. Diese Leute werden namentlich genannt. Dichter und Maler sind frei, liberi poetae et pictores , und mit dieser Freiheit gehen strenge moralische Gebote einher. Erste ethische Norm:
    Wer einen Betrüger als solchen erkennt, ihn aber nicht als Betrüger bezeichnet, ist ein Betrüger.
    Freundlichkeit gegenüber Arroganten ist kein bisschen besser als Arroganz gegenüber den Freundlichen; und wer sich zuvorkommend gegenüber einer Person verhält, die etwas Schändliches getan hat, der entschuldigt sie.
    Viele Autoren und Akademiker äußern sich im privaten Kreis, etwa nach einer halben Flasche Wein, anders als in ihren veröffentlichten Texten. Was sie schreiben, ist also erwiesenermaßen und eindeutig eine Fälschung. Und viele Probleme der Gesellschaft gehen auf den Grundsatz zurück: »Die anderen tun es doch auch.« Wenn ich also jemanden im kleinen Kreis nach dem dritten Glas libanesischen Weins (Weißwein) einen gefährlichen, moralisch behinderten Fragilisten nenne, dann muss ich das auch in diesem Buch tun.
    Wer in seinen veröffentlichten Texten Menschen und
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