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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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sei trotz der modernsten Großraumschiffe kompliziert. Der Nachschub an Maschinen, Ersatzteilen, Treib- und Baustoffen verschlänge erhebliche Mittel. Dazu die Personenbeförderung und die Dinge des täglichen Bedarfs.
    Es gäbe immer noch Winter, in denen auch für die modernsten Flugzeuge und Schiffe zwei Monate lang eine Landung ausgeschlossen sei. Vielleicht ändere sich das, wenn der U-Hafen in Mirny seine Arbeit aufgenommen habe… Pjotr redete, als sei Thomas einer von jenen, die wie er schon zwei Jahre hier waren.
    Nachdem Thomas seine Sachen verstaut hatte, machte er sich auf den Weg zur Abteilung GEOMESS, unter deren Regie er diesen Teil des Intensivpraktikums ableisten sollte. Durch eine Schleuse verließ er den Wohntrakt. Ein Gang nahm ihn auf, kühl, an Stelle der Betonwände eine graue, wie es schien, flexible Plasteverkleidung, dahinter das Eis.
    Sicher mußten auch innerhalb der Trakte Bedingungen geschaffen werden, die den einzelnen Blöcken gestatteten, sich gegeneinander zu bewegen. Die ungeheure Kraft, die das Eis entwickelte, würde auch nicht vor Eisenbeton kapitulieren.
    Thomas Monig wurde es ein wenig unheimlich. Er erinnerte sich an Berichte, in denen es hieß, daß auch das antarktische Inlandeis einige Dutzend Meter im Jahr zu wandern vermochte. Das mußte beim Bau des Objektes ebenso berücksichtigt worden sein wie das verhältnismäßig hohe Wärmeabstrahlvermögen der Gebäude, das das thermische Gleichgewicht beeinflußte.
    Einen Augenblick lang wurde sich Thomas des Abenteuerlichen der Situation bewußt. Das war schon etwas, was sie sich hier vorgenommen hatten!
    Dann sagte er sich, mal sehen, was sie für mich haben, sicher irgendeine Hilfsarbeit wie öfter in solchen Praktikas.
    Am Ende des etwa fünfzig Meter langen Ganges betrat er, ebenfalls durch eine Schleuse, den Verwaltungstrakt, der nüchterner, funktionell wirkte. Er fragte eine junge Frau, die aus einer der vielen Türen trat, nach den Zimmernummern der Abteilung, in die er wollte. Sie wies ihm eine Treppe nach oben.
    »Leiter der Abteilung GEOMESS, Dr. Lewrow, Organisator Nina Soredse« stand an der Tür. Thomas fingerte nach seinem Ankehrschreiben, klopfte und trat ein.
    »Guten Tag«, brachte er russisch hervor.
    »Mein Name ist Monig. Ich absolviere hier ein Praktikum und möchte mich bei Kollegen Dr. Lewrow melden.« Wie meist in dieser Sprache ging es langsam und hörte sich sicher furchtbar an.
    »Deutsche Demokratische Republik?« fragte sie. Und schon die Aussprache der drei Wörter verriet, daß sie gut Deutsch konnte.
    Sie legte das Mikrophon ihres Phonodiktors beiseite, schwenkte mit ihrem Sessel herum und sagte: »Moment.« Dann drückte sie am Seitenpult eine Dispotaste und entnahm dem Ausgabeschlitz eine Lochkarte.
    Thomas betrachtete seine neue Umgebung mit der gleichen Skepsis und dem gleichen Mißtrauen wie das gesamte Praktikum.
    Aus der Kürze des Summtons des Computers glaubte Thomas schließen zu können, daß sie entweder ein mustergültiges, ausgeklügeltes Ordnungssystem hatten oder sehr wenig Praktikanten. Er neigte dazu, das letztere anzunehmen.
    Sie war hübsch, die Nina, und wie es schien, sich dessen bewußt. Perlmuttfarbene Haare, ebensolche Finger- und Zehennägel, allerdings mit roten Tupfen, modern gekleidet. Das asymmetrische Dekollete gewährte einen relativ tiefen Einblick. Sie ertappte Thomas beim Hinschauen, veränderte jedoch ihre Haltung nicht.
    »Ja, Kollege Lewrow erwartet dich«, sagte sie fließend deutsch und warf Monig über die Schmuckbrille hinweg aus ihren wasserblauen Augen einen Blick zu. »Für organisatorische Fragen und Dinge, die deine persönlichen Belange betreffen, bin ich zuständig, ebenso für Beschwerden. Ich bin Leiterin der Brigade. Kurzversammlung ist am Freitag, vierzehn Uhr. Ich würde dich bitten, dich dort vorzustellen.«
    Lewrow – etwa in meinem Alter, schätzte Monig – war klein und trug einen Vollbart.
    »Ich begrüße dich«, sagte er schnarrend, hinter seinem Schreibtisch stehend. Er bot Thomas keinen Platz an, hatte also nicht die Absicht, sich lange mit ihm zu befassen.
    »Freiberger?« fragte Lewrow und fuhr gleich fort: »Ich war zu einigen Tagungen dort – hübsche alte Innenstadt.« Er machte eine Pause, wickelte einige Haare seines Bartes um den linken Zeigefinger, sah Thomas mit zwei listigen, kleinen Augen an, die als einziges aus diesem Bartgestrüpp hervorlugten, und bemerkte: »Es trifft sich gut, daß du kommst. Unser Kollege Kramer
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