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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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geht übermorgen in Urlaub. Heute und morgen wird er dir seine Aufgaben übertragen. Ein wenig kurz, die Übergabezeit, aber wenn du Freiberger bist…«
    Dort, wo Thomas Lewrows Mund vermutete, sträubten sich Haare. Da sich gleichzeitig die Augen verengten, vermutete er, daß Lewrow lächelte. Er lächelte süßsauer zurück, da er nicht wußte, wie er Lewrows Bemerkung aufzufassen habe – ihm klang sie ein wenig ironisch.
    Lewrow trat zum Wechselvideo, drückte die Taste und sagte leise, aber bestimmt: »Kollege Kramer zu mir, bitte.«
    Wenige Augenblicke später trat Kramer ein.
    »Dein Praktikant, Kollege Kramer«, kam es aus dem Bart hervor, so obenhin, als seien die Gedanken bereits anderwärts.
    Thomas wurde bewußt, daß er außer einer gemurmelten Begrüßung kein Wort gesprochen hatte. Sogleich nagte an ihm Auflehnung. – Geht man so mit Leuten wie mir um? Sachte, sachte, Tom. Was hast du erwartet? Soll er dir um den Hals fallen? – Schließlich ist er schon vier Jahre hier – die Ankunft eines Neulings ist eine gewohnte Sache, nur, du bist diesmal jener Neuling, und wie für dich alles hier neu ist, erwartest du auch von den Menschen etwas Besonderes.
    Trotzdem, ein wenig persönlicher hätte er sein können, der Herr Chefmarkscheider.
    Am nächsten Morgen stampfte Thomas hinter Kramer her. In seiner Synthetex-Arbeitsjacke sah dieser breitschultrige, untersetzte Mann noch wuchtiger aus.
    Kramer wollte zu Fuß gehen, zumindest hinwärts. Angeblich sähe man da mehr. Obgleich Thomas kein Freund von langen Märschen, vor allem nicht in behindernder Polarkleidung war, beschlich ihn ein Gefühl der Erwartung von etwas Großartigem.
    Vom Verwaltungstrakt aus gelangten sie durch eine Schleuse in einen mit Folie verkleideten Gang. Eine weitere Schleusentür, und sie standen im Eis.
    Eine Laufstrecke, in Dimensionen, wie sie Thomas aus Grubenbauen in Kalibergwerken kannte, hier jedoch mitten im Eis.
    Vor ihnen dumpfes Rumoren, auf- und abschwellend.
    Die Strecke machte einen Bogen; sie mündete in eine andere, der sie nach rechts, dem Gefälle nach, folgten. Diese Strecke hatte einen kreisrunden Querschnitt. Sie liefen auf einem Plastesteg, der etwa einen halben Meter über dem Eis die Sohle bildete. Rechts neben dem Steg verlief ein Schmalspurgleis, darunter lagen zwei beachtliche Rohre. Es war, trotz der nun deutlicheren Motorengeräusche, als plätschere es rhythmisch in diesen Leitungen.
    Sie schalteten ihre Tragelampen ein. Der Abstand der installierten Firstleuchten war hier sehr groß, etwa dreihundert Meter. Das linke obere Viertel der Strecke, so ab Brusthöhe, bestand nicht aus Eis, sondern aus einem starren Kunststoffbeschlag, der, schräg von rechts oben nach links unten verlaufend, der Rundung der Strecke angepaßt und oben und unten in Leisten eingespannt war.
    »Hier«, sagte Kramer stehenbleibend, »ist die Sohle der Hauptstrecke.« Dabei legte er die Rechte auf die untere Verschlagleiste. »Diese Strecke hier, der Leitstollen, liegt mit ihrer Sohle knapp zwei Meter unter der Hauptstrecke, die damit gleichsam aufgeschlitzt ist – der Länge nach. Die Verkleidung hier verdeckt den Durchbruch; sie ist für die Wetterführung notwendig.« Die letzten Worte schrie Kramer fast; das Motorengeräusch hatte zugenommen.
    Der Stoß, das Geläuf, alles begann zu beben. Metallenes Rasseln mit schwerem Dieselgedröhn war jetzt unmittelbar neben ihnen. Hinter der unteren Halteleiste der Verkleidung rieselten Eisstückchen hervor. Ein schwaches poltern- des Gleitgeräusch mischte sich in das Lärmen. Wenn wir als Kinder Eisbrocken über den Teich schlittern ließen, klang das ähnlich, dachte Monig.
    Das Gedröhn ließ fast schlagartig nach, als ob sich zwischen die beiden Menschen und die Schallquelle eine Wand geschoben hätte. »Unsere Pferdchen«, sagte Kramer lächelnd. Er machte eine Kopfbewegung zur Hauptstrecke hin.
    Als er Monigs verständnislosen Blick bemerkte, fühlte er sich bemüßigt, doch noch hinzuzufügen: »Haben sie dir nicht erzählt, wie wir hier die Vortriebsmassen fördern?«
    Nein, Pjotr hatte Thomas nichts davon erzählt – hatte es wohl wie vieles vorausgesetzt. »T dreiundsiebzig«, erklärte Kramer , »Panzer.«
    Nun hatte Thomas gehört und auch vielfach gesehen, daß ehemalige Militärfahrzeuge in allen möglichen Zweigen der Wirtschaft eingesetzt wurden. Daß er nun auch hier, ausgerechnet hier, damit konfrontiert werden würde, hatte er nicht erwartet. Schließlich dürfte
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