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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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und gleich darauf in einer Einfahrt. Ringsum angebrachte Düsen bliesen ihnen die warme Luft entgegen. So blieb der Zugang eisfrei.
    Thomas gab seine unerfreulichen Gedanken auf und beschloß, mit Kritik nicht zu voreilig zu sein.
    Ja, und dann gab es eine Überraschung nach der anderen: In einem im Eis schwimmenden Betonhohlkörper von den Ausmaßen eines zehngeschossigen Hochhauses präsentierte sich den Neuankömmlingen eine Art Mehrzweckbau, den sie unter den leicht spöttischen Blicken der »Alteingesessenen« nach und nach erkundeten.
    Zunächst wurde ihnen ihre Unterkunft zugewiesen. Nach einem Empfangsraum, von Lumineszenz-Leuchtplatten strahlend erhellt, ging es durch eine Flügeltür in einen langen Korridor, von dem die Zimmer zu erreichen waren. Einfach, zweckvoll eingerichtet, mit Dusche, Radio, Wechselvideophon und, was Thomas hier nie erwartet hätte, einem automatischen Versorgungssystem. Daß eine derartige Unterkunft für drei Personen gedacht war, nahm er großzügig hin.
    Als Thomas eintrat, rekelte sich jemand in einer der Bettnischen. Ein zerzauster Kopf tauchte auf, ein schmales Gesicht, schon fast ausgemergelt, rasiert, mit schwärzlichem Schimmer, zwei dunkle Augen.
    Thomas grüßte: »Guten Tag.«
    Neben dem Gesicht schob sich eine sehnige Hand aus dem Vorhangschlitz, hob sich in Ohrhöhe, der Zeigefinger tippte grüßend an die Schläfe.
    »Glück auf!« Die Stimme klang dunkel, mit einem Akzent. »Ich heiße Pjotr. Du bist Deutscher? – Gut, wir werden miteinander in Deutsch reden. Möchte ich perfekt werden in dieser Sprache.«
    »Ja, Deutsche Demokratische Republik«, sagte Monig. »Mir täte Nachhilfe in Russisch gut.«
    Das Gesicht verschwand; Rascheln, dann tauchten zwei hagere, lange, behaarte Beine auf. Mit einem Schwung stand Pjotr, bekleidet mit Turnhemd und Sporthose, vor Thomas und hielt ihm die Hand hin. Obgleich Thomas diese veraltete Sitte nicht mochte, schlug er ein. »Thomas Monig«, murmelte er. »Sokolov, Pjotr, Bulgare«, sagte sein Zimmergefährte.
    Thomas schluckte. Pjotr schien es jedoch nicht zu bemerken, sondern wies auf einen Vorhang und fuhr fort: »Dein Bett. – Das dort gehört Andrzej, Pole.«
    Wenn Pjotr Maßstab ist, ist die Verpflegung nicht besonders, dachte Thomas. Durch und durch Knochen, der Mensch, kein Gramm Fett.
    Thomas begann sich einzurichten. Pjotr weihte ihn, beineschaukelnd, in das – wie er meinte – Wissenswerteste ein. Er sei Maschineningenieur und im Vortrieb des Leitstollens tätig, beaufsichtige die »Eisfresser«, wie die Laserschrämen scherzhaft genannt wurden. Andrzej, ein Pumpenfachmann, arbeite mit ihm im gleichen Abschnitt, habe zur Zeit jedoch Jahresurlaub. Im Leitstollen werde nämlich alles Eis geschmolzen und das Wasser abgepumpt. In der Hauptstrecke sei Stückförderung, aber das werde er ja sehr bald sehen. Die Station sei sehr gut eingerichtet, eine Bibliothek, ein Kino, ein Kasino – zweimal wöchentlich Tanz. Von der Leitung werde darauf geachtet, daß etwa gleichviel Frauen und Männer in TITANGORA seien.
    Während er das sagte, zwinkerte er Thomas auffällig zu. Dabei verzog sich sein Gesicht, als sei die Haut zu knapp. Es wurde zu einer listig-komischen Grimasse und schien auszudrücken: Vorsicht, Freund, jetzt nehme ich dich auf den Arm. Sehr viele Ehepaare seien hier, setzte er in Gedanken fort. Ja, die Leitung – es sei besser, sich mit dem Direktor Pajew nicht anzulegen. Er sei streng, gegen Schlendrian, Disziplinarverstöße und andere Unregelmäßigkeiten sehr unduldsam. Er versuche gerecht zu sein, habe aber – nach Pjotrs Meinung – zuwenig Kontakt zu den Mitarbeitern.
    »Knapp siebenhundert Menschen sind hier«, antwortete Pjotr auf eine Frage von Thomas. »Davon arbeiten etwa vierhundert im Stollen – in vier Schichten, versteht sich. Hundert sind ständig draußen.« Dabei deutete er mit dem Daumen gegen die Zimmerdecke. »Kein Vergnügen«, fuhr er fort, »bis minus sechzig Grad und Stürme. Aber die Arbeiten müssen gemacht werden.« Auf Thomas’ Bemerkung, daß er sicher auch einige Zeit im Freien werde arbeiten müssen, erwiderte Pjotr so etwas wie »armer Hund«, und Monig fand, daß er sicher recht damit hatte. »Draußen«, setzte Pjotr tröstend hinzu, »passieren auch die meisten Unfälle. – Die anderen zweihundert Menschen besorgen die Verwaltung und arbeiten für die Betreuung: Gesundheitswesen, Dienstleistungen, Gastronomie, Handel und so weiter.« Luxus gäbe es nicht. Der Transport
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