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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
Autoren: Jane Austen
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doch, nicht wahr?«
    »Wentworth? Allerdings – Mr. Wentworth, der Hilfspfarrer von Monkford. Sie haben mich mit Ihrem
Gentleman
in die Irre geführt. Ich dachte, Sie sprechen von einem Grundbesitzer: Mr. Wentworth war ein Niemand, erinnere ich mich, ganz ohne Beziehungen – keinerlei Verwandtschaft mit den Wentworths von Strafford. Man fragt sich, wie die Namen so vieler unserer Adelsgeschlechter so sehr zu Allerweltsnamen verkommen konnten.«
    Als Mr. Shepherd sah, wie wenig diese Verbindung das Ansehen der Crofts bei Sir Walter beförderte, schwieg er davon und kam mit viel Verve auf das zurück, was unstrittiger für sie sprach: ihr Alter, ihre Anzahl, ihr Vermögen; die außerordentlich hohe Meinung, die sie sich von Kellynch Hall gebildet hatten, und ihr dringlicher Wunsch, es mieten zu dürfen, ganz so, als gäbe es für sie kein höheres Glück, als Sir Walter Elliot zum Vermieter zu bekommen: ein exotisches Begehren, hätten sie denn ahnen können, wie Sir Walter über die Rechte seiner Mieter dachte.
    Es brachte ihn jedoch zum Ziel; obgleich Sir Walter einen jeden, der es wagte, in Kellynch Hall wohnen zu wollen, scheelen Blickes betrachten mußte und noch den unverschämtesten Mietzins für eine übergroße Gnade seinerseits hielt, erklärte er sich schließlich doch bereit, Mr. Shepherd die nächsten Schritte in Angriff nehmen zu lassen, und ermächtigte ihn, Admiral Croft, der noch in Taunton war, aufzusuchen und mit ihm einen Besichtigungstermin zu vereinbaren.
    Sonderlich klug war Sir Walter nicht; aber er besaß doch Lebenserfahrung genug, um zu begreifen, daß sich ein untadeligerer Mieter, als es Admiral Croft in allen wesentlichen Punkten zu sein versprach, kaum finden konnte. So weit reichte sein Verstand; und die Eitelkeit lieferte ihm ein zusätzliches kleines Trostpflaster, den gesellschaftlichen Rang des Admirals nämlich, der gerade hoch genug, aber nicht zu hoch war. »Ich habe mein Haus an Admiral Croft vermietet« würde sich hervorragend anhören, viel besser als an einen bloßen
Mr.
– verlangt doch ein
Mr.
(mit Ausnahme vielleicht eines halben Dutzends im Lande) unweigerlich nach einer Erklärung. Ein Admiral bringt seine eigene Bedeutung mit sich und kann einen Baronet doch nie in den Schatten stellen. In all ihrem Umgang, bei allem Verkehr zwischen ihnen, war Sir Walter der Vorrang sicher.
    Erst mußte freilich Elizabeths Zustimmung eingeholt werden;aber sie sehnte einen Ortswechsel inzwischen so sehr herbei, daß sie froh war, ihn durch einen so kommoden Mieter besiegelt und beschleunigt zu sehen, und aus ihrem Mund kam kein Wort, das die Entscheidung aufgeschoben hätte.
    Mr. Shepherd erhielt alle nötigen Vollmachten; und kaum waren diese erteilt, als Anne, die dem Ganzen mit größter Aufmerksamkeit gelauscht hatte, auch schon aus dem Zimmer schlüpfte, um ihre brennenden Wangen an der frischen Luft zu kühlen; und während sie einem ihrer Lieblingswege am Saum eines Wäldchens folgte, sagte sie mit leisem Seufzen: »Noch ein paar Monate, dann geht vielleicht
er
hier entlang.«

KAPITEL IV
    Er
, das war nicht Mr. Wentworth, der ehemalige Kurat von Monkford, wenn auch der Verdacht nahelag, sondern ein Captain Frederick Wentworth, sein Bruder, der, nach der Schlacht vor San Domingo zum Kommandeur befördert, aber vorerst noch ohne Schiff, den Sommer 1806 in Somersetshire verbracht und sein Zuhause, da seine Eltern nicht mehr lebten, für ein halbes Jahr in Monkford gefunden hatte. Er war damals ein bemerkenswert gutaussehender junger Mann gewesen, intelligent, temperamentvoll und geistreich, und Anne ein ausnehmend hübsches junges Mädchen, begabt mit Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, Feingefühl und Geschmack. – Schon halb so viele Reize, hüben wie drüben, hätten vermutlich ausgereicht, denn er hatte nichts zu tun und sie so recht niemanden, den sie lieben konnte; um so unfehlbarer tat diese doppelte Fülle von Vorzügen da ihren Zweck. Schritt für Schritt hatten sie sich kennengelernt und, kaum kannten sie sich, prompt und heftig ineinander verliebt. Es ließ sich schwer sagen, wer von beiden die größere Vollkommenheit im anderen gesehen, wer das tiefere Glück empfunden hatte: sie, die seine Schwüre und Anträge empfing, oder er, dem sie erhört wurden.
    Eine Spanne der Seligkeit folgte, aber eine wie kurze!– Die Widrigkeiten ließen nicht auf sich warten. Sir Walter, um seine Zustimmung gebeten, verweigerte diese zwar nicht direkt, verbot auch die Sache nicht
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