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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
Autoren: Jane Austen
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Wer bei der Marine ist, muß wie kein anderer mit dem Affront rechnen, Männer aufsteigen zu sehen, mit deren Vätern sein Vater kein Wort gewechselt hätte, und obendrein wird er sich vor der Zeit selber zum Graus. Letztes Frühjahr sind mir in London zwei Männer begegnet, beides frappierende Beispiele für das, was ich meine: Lord St. Ives, dessen Vater, wie wir alle wissen, ein Hilfsgeistlicher auf dem Lande war und von der Hand in den Mund lebte; ich mußte Lord St. Ives den Vortritt lassen! und ein gewisser Admiral Baldwin, eine Gestalt, wie man sie sich jammervoller kaum vorstellen kann, das Gesicht so braun wie Mahagoni, gräßlich rauh und zerklüftet, mit nichts als Falten und Furchen, neun graue Haare auf jeder Seite und obenauf ein Puderklecks. – ›Um Himmels willen, wer ist dieser alte Kerl?‹ fragte ich einen Freund von mir, der nahebei stand (Sir Basil Morley). ›Alter Kerl!‹ rief Sir Basil, ›das ist Admiral Baldwin. Auf wie alt schätzen Sie ihn?‹ ›Sechzig‹, sagte ich, ›vielleicht auch zweiundsechzig.‹ ›Vierzig‹, versetzte Sir Basil, ›vierzig und keinen Tag älter.‹ Stellen Sie sich meine Verblüffung vor; Admiral Baldwin werde ich so rasch nicht vergessen. Ein übleres Beispiel für die Verheerungen, die das Leben zur See anrichten kann, habe ich bis dato nicht gesehen, aber letztlich ist es bei ihnen allen das gleiche; immerzu werden sie herumgeschleudert und sind jeder Art von Klima und Wetter ausgesetzt, bis man sie gar nicht mehr anschauen mag. Ein Jammer, daß man sie nichteinfach totschlägt, bevor sie so alt werden können wie Admiral Baldwin.«
    »Aber Sir Walter!« rief Mrs. Clay, »Sie sind zu streng! Zeigen Sie ein bißchen Erbarmen mit diesen armen Männern. Gutes Aussehen ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Die See verschönert nicht, das ist wohl wahr; Seeleute werden beizeiten alt, ich habe es oft beobachtet; sie verlieren alle Jugendfrische. Aber ist das nicht bei vielen Berufen so, vielleicht sogar bei den meisten? Soldaten im aktiven Dienst ergeht es um keinen Deut besser; und selbst die gesetzteren Berufe erfordern einen Einsatz, einen Kraftaufwand geistiger, wenn schon nicht körperlicher Art, der das Aussehen eines Mannes nur selten der natürlichen Einwirkung der Zeit überläßt. Der Anwalt müht sich und härmt sich ab; der Arzt muß zu allen Zeiten auf den Beinen und in jedem Wetter unterwegs sein, und sogar der Pfarrer –«, sie hielt einen Moment inne, um zu überlegen, welches Kreuz der Pfarrer zu tragen hatte –, »sogar der Pfarrer geht ja in die Krankenstuben und setzt seine Gesundheit und ganze Erscheinung den giftigen Dünsten dort aus. Überhaupt, der Überzeugung bin ich schon lange, ist zwar jeder Beruf auf seine Art notwendig und ehrenhaft, aber nur denjenigen, die gar keinem Beruf nachgehen müssen und die ein regelmäßiges Leben führen, auf dem Lande, wo sie ihre Stunden frei einteilen und ihren Zeitvertreib frei wählen und auf ihrem eigenen Grund und Boden leben können, ohne immerfort nach mehr streben zu müssen – nur denen, sage ich, ist es vergönnt, die Segnungen von Gesundheit und gutem Aussehen bis zur Neige auszukosten; ich kenne keine anderen, deren Äußeres nicht leidet, sobald ihre erste Jugend vorüber ist.«
    Mr. Shepherds Bemühungen, Sir Walter einen Marineoffizier als Mieter schmackhaft zu machen, schienen von prophetischem Geiste getragen zu sein; denn gleich der erste Interessent für das Haus war ein Admiral Croft, mit dem er kurz darauf in Taunton zusammentraf, wohin er zur vierteljährlichenSitzung des Friedensrichters 3 gereist war; in der Tat hatte ihm der Brief eines Londoner Bekannten bereits einen ersten Fingerzeig auf den Admiral geliefert. Laut dem Bericht, den zu erstatten er sofort nach Kellynch eilte, stammte Admiral Croft aus Somersetshire und wollte sich nun, da er es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht hatte, wieder in der Heimat niederlassen. Er war nach Taunton gekommen, um einige zur Vermietung ausgeschriebene Anwesen in der Umgegend zu besichtigen, von denen ihm jedoch keines zugesagt hatte, und als ihm dabei zufällig – (es war genau, wie er vorausgesehen hatte, betonte Mr. Shepherd, Sir Walters Angelegenheiten ließen sich nicht geheimhalten) – als ihm zufällig zu Ohren gelangt war, daß Kellynch Hall zu vermieten sein könnte, und er von seiner (Mr. Shepherds) Verbindung zu dessen Eigentümer gehört hatte, war er an ihn herangetreten, um Näheres zu erfahren, und hatte im
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