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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
Autoren: Jane Austen
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gleich aufgeben, als unter solch schmählichen Bedingungen dortzubleiben.
    »Kellynch Hall aufgeben.« Das Stichwort wurde unverzüglichvon Mr. Shepherd aufgegriffen, dem sehr daran lag, daß Sir Walters Sparkurs Hand und Fuß hatte, und der der festen Überzeugung war, daß ohne einen Wohnsitzwechsel nichts gewonnen sei. – Da der Gedanke just aus jenem Mund komme, der das Sagen habe, erklärte er, wage er ohne Skrupel seine uneingeschränkte Sympathie für den Vorschlag zu bekennen. Er habe wenig Hoffnung, daß Sir Walter seine Lebensweise grundlegend zu ändern vermochte, solange er in einem Haus wohnte, dessen Ruf der Gastlichkeit und Ehrwürdigkeit doch gewahrt werden mußte. – Überall sonst könne Sir Walter nach Gutdünken entscheiden, und man werde seinen Lebensstil als beispielhaft ansehen, in welchem Rahmen er sich auch einzurichten beliebte.
    Sir Walter würde also aus Kellynch Hall wegziehen; – und nach nur wenigen weiteren Tagen des Zweifelns und der Unentschlossenheit war die große Frage nach dem Wohin geklärt und die grobe Richtung dieser tiefgreifenden Veränderung festgelegt.
    Drei Möglichkeiten hatten zur Auswahl gestanden, London, Bath oder ein anderes Haus auf dem Land. Anne hätte sich sehr stark letzteres gewünscht. Ein kleines Haus in ihrer vertrauten Umgebung, wo man auch weiterhin Nachbarschaft mit Lady Russell pflegen, in Marys Nähe sein und gelegentlich noch die Rasenflächen und Wäldchen von Kellynch sehen könnte, mehr wollte sie nicht. Aber Annes übliches Schicksal blieb ihr treu, und die Wahl fiel auf das, was ihr am meisten widerstrebte. Sie mochte Bath nicht und war überzeugt, daß es ihr schlecht bekam – und Bath sollte ihre neue Heimat sein.
    Sir Walter hatte zunächst zu London tendiert, aber Mr. Shepherd, der ihm in London nicht so recht traute, hatte es geschickt verstanden, ihm diesen Plan auszureden und dafür Bath nahezubringen. Bath war ein weitaus sichereres Pflaster für einen Gentleman in seiner Lage: – dort konnte er wichtig sein, ohne daß es ihn zu viel kostete. – Zwei erhebliche Vorzüge,die Bath vor London auszeichneten, wurden natürlich ebenfalls nach Kräften betont: die größere Nähe zu Kellynch, nur fünfzig Meilen, und der Umstand, daß Lady Russell einen Teil jeden Winters dort verbrachte; und sehr zur Genugtuung letzterer, die schon von Anfang an für Bath gewesen war, ließen sich Sir Walter und Elizabeth zu dem Glauben bewegen, daß sie weder Status noch Zerstreuungen einbüßen würden, wenn sie dort Wohnung nahmen.
    Lady Russell konnte nicht anders, als sich den erklärten Wünschen ihrer lieben Anne zu widersetzen. Niemand könne billigerweise von Sir Walter erwarten, daß er mit einem kleinen Haus in seiner eigenen Nachbarschaft vorliebnahm. Anne selbst würde die darin enthaltene Kränkung härter treffen, als sie sich vorstellte, und für Sir Walter mußte sie geradezu fürchterlich sein. Und was Annes Abneigung gegen Bath anging, so war diese nach Lady Russells Ansicht ein Vorurteil und ein Fehler und rührte erstens von den drei Jahren her, die sie nach dem Tod ihrer Mutter dort hatte zur Schule gehen müssen, und zweitens daher, daß ihre Stimmung in dem einen Winter, den sie danach mit ihr selbst dort verlebt hatte, nicht die beste gewesen war.
    Kurzum, Lady Russell mochte Bath und war folglich der Meinung, daß es jedermann zu taugen habe: soweit es die Gesundheit ihrer jungen Freundin betraf, ließ sich jeglicher Gefährdung dadurch vorbeugen, daß sie für die Sommermonate zu ihr nach Kellynch Lodge kam; und überhaupt konnte die Veränderung ihr an Leib und Seele nur guttun. Anne war zu wenig außer Haus gewesen, zu wenig in Gesellschaft. Ihre Lebensgeister lagen darnieder. Ein größerer Bekanntenkreis würde ihnen aufhelfen. Sie wollte, daß Anne mehr unter Menschen kam.
    Daß andere Häuser in der Umgebung für Sir Walter so völlig außer Frage standen, lag nicht zuletzt an einem Unterpunkt des Planes, einem sehr wesentlichen Unterpunkt, der dem Ganzen gleich zu Beginn geschickt aufgepfropft wordenwar. Er würde sein Haus nicht nur aufgeben, er würde es auch in den Händen Fremder sehen müssen: eine Prüfung, an der schon stärkere Geister als der Sir Walters zerbrochen sind. – Kellynch Hall sollte vermietet werden. Dies jedoch war ein absolutes Geheimnis; kein Außenstehender durfte davon ein Sterbenswörtchen erfahren.
    Sir Walter hätte die Demütigung nicht ertragen, wenn bekannt geworden wäre, daß sein Haus
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