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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe
Autoren: Horst Eckert
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mögliche Tatwerkzeuge sowie persönliche Gegenstände aus dem Besitz des Opfers, die der Täter möglicherweise auch hierher gebracht hat.« Thann nickte Schneider und Dalla zu. »Wir setzen die Befragung der Deponiearbeiter fort.«
    Eine Windbö fegte über das Gelände, als sich die Beamten in Bewegung setzten. Der Regen war stärker geworden.
     
     
    2.
     
    Es war eine Besprechung unter vier Augen. Thann wischte sich an der Hose die Handflächen trocken, bevor er das Büro des Kripochefs betrat. Kriminaloberrat Bollmann, der nächste Vorgesetzte des Kommissariatsleiters, hatte Thann zu sich gerufen.
    »Hallo Junior.« Bollmann streckte ihm seine Pranke entgegen.
    Thann ließ sich von der väterlichen Art des Vorgesetzten nicht täuschen. Bollmann galt als der härteste Bulle des Präsidiums und als eiskalter Karrierist. Der Berater des Innenministers mit besten Aussichten, nächster Polizeipräsident zu werden, so hieß es.
    Bollmann, groß und massig, aber nicht dick, ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Seine kalten, graublauen Augen blitzten Thann an. »Mordfall Deponie – erzählen Sie mir alles!«
    Thann schluckte. Er hatte nicht viel. »Der Tote ist ein männlicher Erwachsener. Er wurde erschlagen, die Leiche in sechs Teile zerlegt. Ein Deponiearbeiter fand den Kopf gegen acht Uhr heute Morgen, als er mit seiner Raupe drüberfuhr. Die anderen Leichenteile konnten inzwischen aus dem Müll geborgen und vollständig sichergestellt werden.«
    Das war bis jetzt alles. Eine vollständige Leiche. Bollmann nickte anerkennend, doch Thann wusste, dass er rasche Erfolge liefern musste.
    »Im Bereich des Fundortes konnten bislang keine Kleidungsstücke oder andere persönliche Gegenstände gefunden werden, die mit dem Toten in Zusammenhang stehen. Nach erster Leichenschau muss der Tod zwischen Mitternacht und höchstens fünf Uhr morgens erfolgt sein. Zu dieser Zeit arbeitete nur der Pförtner auf der Deponie. Er bewachte den Einfahrtsbereich und konnte nichts Ungewöhnliches beobachten.«
    »Und was war das Gewöhnliche, was er beobachten konnte?«
    »Sein Romanheft. Äh – ich meine nichts. Das erste Fahrzeug, das aufs Gelände fuhr, kam Viertel vor sechs. Auch die anderen Deponieangestellten haben nichts Ungewöhnliches festgestellt. Bis acht Uhr haben sieben Fahrzeuge Müll auf die Deponie gekippt. Die ersten vier davon zweimal. Alle brachten ihre Ladung in den Bereich des Fundortes, wo der Mann mit der Raupe arbeitete. Sein Dienstbeginn war um sieben Uhr. Auch in der Stadt hat keiner der Müllarbeiter etwas Verdächtiges bemerkt. Keine Blutspuren in irgendeinem Keller oder an einem Müllbehälter. Bis jetzt.« Thann dachte an die Augen der Leiche.
    »Ich danke Ihnen.« Bollmann strich mit Daumen und Zeigefinger über seinen blonden, kurz geschnittenen Schnauzbart. »Wie groß ist die Kommission zurzeit?«
    »Heute Morgen waren wir nur zu dritt. Aber das reicht nicht aus.«
    »In einer Stunde will ich Ihre Berichte auf meinem Schreibtisch sehen. Hauptkommissar Fendrich wird die Leitung übernehmen.«
    Thann schluckte. »Das ist mein erster Fall! Warum wollen Sie ihn mir wegnehmen? Ich ...«
    Bollmann winkte ab. »Sie sind noch zu unerfahren, um einen Fall zu leiten, der so ungewöhnlich ist und auf so große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit stoßen wird. Sie sind erst sechsundzwanzig. Sie werden noch genügend Gelegenheit bekommen, sich zu beweisen. Fendrich ist älter und hat die nötige Erfahrung.«
    Thann spürte sein Herz klopfen und seine Gedanken rasen. Fendrich, der Schleimer. Ein hohler Sprücheklopfer mit braun gebrannter, durchtrainierter Fassade. Wie konnte sich der Kripoleiter von dessen aalglattem Getue blenden lassen? Thann geriet in Fahrt.
    »Herr Bollmann, ich mag noch jung sein, aber ich bin jetzt seit vier Jahren bei der Kripo. Ich habe Erfahrung, und in welcher Dienstvorschrift steht, dass Jugend ein Fehler ist? Sie waren auch erst sechsundzwanzig, als Sie Ihren ersten Mordfall aufklärten.«
    Bollmann lachte. »Mein erster Fall war einfach, die Fakten waren nach drei Tagen klar. Hier haben wir nur eine Leiche, die keiner kennt und die nur durch einen dummen Zufall überhaupt entdeckt wurde. Junior, das ist eine Nummer zu groß für Sie.«
    »Geben Sie mir wenigstens drei Tage, so lange wie Sie damals brauchten.«
    Bollmann beugte sich vor und musterte Thann. »Sie sind ehrgeizig, das mag ich. Aus Ihnen wird noch was. Es gibt nicht viele, die mit Ihrem Eifer Polizeidienst tun. Der
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