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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)
Autoren: Kendare Blake
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ungewöhnlich kalte Stellen und eine Tür, die aus unerklärlichen Gründen zufällt.
    »Nichts, was uns jetzt Sorgen machen müsste.« Ich gehe hinüber und schließe die Tür. »Oben läuft es recht gut. Wie kommt ihr in der Küche voran?«
    Carmel zuckt mit den Achseln. »Ich bin zu nichts zu gebrauchen. Es ist so ähnlich wie kochen, und das kann ich nicht. Aber sie kommen anscheinend zurecht.« Sie rümpft die Nase. »Es geht nur so langsam.«
    »Einen guten Zaubertrank darf man nicht drängeln.« Meine Mutter lächelt. »Sonst lässt er euch im Stich. Außerdem bist du eine große Hilfe, Carmel. Sie hat die Kristalle gereinigt.«
    Carmel lächelt sie an und zwinkert mir dabei zu. »Ich glaube, ich helfe lieber Thomas und Morfran.«
    Als sie weg ist, wünsche ich, sie wäre nicht gegangen.
Jetzt sind nur noch Anna, meine Mom und ich unten, und trotzdem fühlt sich der Raum überfüllt an. Es gibt Dinge, die ausgesprochen werden müssen, aber nicht in Anwesenheit meiner Mutter.
    Anna räuspert sich. »Ich glaube, das reicht jetzt so, Mrs. Lowood«, sagt sie. »Brauchen Sie mich noch?«
    Mom wirft mir einen Blick zu. »Im Moment nicht, meine Liebe. Vielen Dank.«
    Als wir durch das Wohnzimmer zum Flur gehen, legt Anna den Kopf schief und beobachtet, was oben passiert.
    »Du hast keine Ahnung, wie seltsam das ist«, sagt sie. »Auf einmal sind Leute in meinem Haus, die ich nicht in lauter kleine Stücke zerreißen will.«
    »Das ist doch ein großer Fortschritt, oder?«
    Sie rümpft die Nase. »Du bist … Wie hat Carmel es vorhin ausgedrückt?« Sie schlägt die Augen nieder, dann sieht sie mich wieder an. »Ein Arsch.«
    Ich lache. »Du lernst schnell.«
    Wir gehen zur Veranda hinaus. Ich ziehe die Jacke eng um mich. Ich habe sie auch drinnen nicht ausgezogen. Das Haus wurde seit einem halben Jahrhundert nicht mehr beheizt.
    »Ich mag Carmel«, sagt Anna. »Zuerst mochte ich sie nicht.«
    »Warum nicht?«
    Sie zuckt mit den Achseln. »Ich dachte, sie sei deine Freundin.« Sie lächelt. »Aber das ist ein alberner Grund, jemanden nicht zu mögen.«
    »Tja, also, ich würde sagen, Carmel und Thomas
sind auf Kollisionskurs.« Wir lehnen uns an das Haus. Ich spüre, wie die verrotteten Bretter hinter mir nachgeben. Es fühlt sich instabil an. Beim Anlehnen habe ich den Eindruck, dass ich das Haus stütze anstatt umgekehrt.
    Die Kopfschmerzen werden schlimmer. Außerdem bekomme ich Seitenstiche. Vielleicht sollte ich fragen, ob jemand ein Schmerzmittel hat. Aber das ist dumm. Wenn dies hier eine mystische Veranstaltung ist, was sollte dann ein Schmerzmittel ausrichten?
    »Es tut allmählich weh, oder?«
    Sie sieht mich besorgt an. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich mir die Augen gerieben habe.
    »Mir fehlt nichts.«
    »Wir müssen ihn möglichst schnell hierherholen.« Sie geht zum Geländer und kommt wieder zurück. »Wie willst du ihn anlocken? Sag es mir.«
    »Ich werde tun, was du immer wolltest«, antworte ich.
    Sie braucht einen Moment. Wenn es überhaupt möglich ist, dass ein Mensch gleichzeitig verletzt und dankbar wirkt, dann sieht ihre Miene genau so aus.
    »Reg dich nicht auf. Ich werde dich nur ein bisschen töten. Es wird eher wie ein ritueller Aderlass.«
    Sie runzelt die Stirn. »Wird das denn funktionieren?«
    »Zusammen mit all den Beschwörungszaubern in der Küche müsste es reichen. Ich glaube schon. Er müsste angerannt kommen wie ein Hund, der den Geruch eines Hotdog-Wagens wittert.«
    »Es wird mich schwächen.«
    »Sehr?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Verdammt. Die Wahrheit ist, dass ich es selbst nicht weiß. Ich will ihr nicht wehtun, aber das Blut ist der Schlüssel. Der Energiestrom, der durch meine Klinge geht und wer weiß wohin führt, müsste ihn anziehen wie das Heulen des Alphawolfs. Ich schließe die Augen. Unzählige Dinge können schiefgehen, aber es ist zu spät, um etwas anderes zu versuchen.
    Wegen der Schmerzen zwischen den Augen muss ich oft blinzeln. Es kostet mich viel Kraft. Ich weiß nicht einmal, ob ich stark genug sein werde, um ihr die Verletzungen beizubringen, wenn die Vorbereitungen noch viel länger dauern.
    »Cassio, ich habe Angst um dich.«
    Ich muss kichern. »Das ist wahrscheinlich durchaus angebracht.« Ich kneife die Augen zusammen. Es ist nicht einmal ein stechender Schmerz. Das wäre viel angenehmer – etwas, das aufkommt und verschwindet, sodass man sich zwischendurch erholen kann. Dieser Schmerz hingegen ist ständig da und macht mich verrückt. Es
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