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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)
Autoren: Kendare Blake
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Problem sein«, erwidert er. »Es gibt haufenweise Beschwörungen, mit denen man Energien aufbauen oder einen Geliebten rufen kann. Allein deine Mutter kennt sicher schon ein paar Dutzend. Wir wandeln sie einfach etwas ab, und für den Bindespruch nehmen wir einen Strick. Auch das Abwehröl deiner Mom könnten wir einsetzen.« Er runzelt die Stirn, während er die verschiedenen Mittel und Methoden im Kopf durchgeht.
    »Das könnte funktionieren«, stimme ich zu, auch wenn ich eigentlich keine Ahnung habe, wovon er redet.
    »Ja«, sagt er skeptisch. »Wenn du jetzt noch 1,21 Gigawatt lieferst und einen Fluxkondensator besorgst, kann uns gar nichts mehr passieren.«
    Ich lache. »Der ungläubige Thomas. Sei nicht so pessimistisch. Es wird schon klappen.«
    »Woher weißt du das?«, fragt er.
    »Es muss.« Ich reiße die Augen weit auf, weil in diesem Moment ein heftiges Pochen in meinem Kopf einsetzt.
     
    Wir richten zwei Fronten in dem Haus ein, in dem nicht mehr so viel Leben war, seit … wahrscheinlich seit einer Ewigkeit. In der oberen Etage schütten Thomas und Morfran gemahlenen Weihrauch in einer Linie vor der Treppe aus. Morfran hat seinen eigenen Athame gezückt und zeichnet damit ein Pentagramm in die Luft. Seine Waffe ist lange nicht so cool wie meine, die ich mir mit der Lederscheide quer über die Brust gehängt habe. Den Gedanken an das, was Morfran und Thomas darüber gesagt haben, schiebe ich weit weg. Es ist nur ein Gegenstand. Für sich genommen, ist der Athame weder gut noch böse. Er besitzt keinen eigenen Willen. Ich bin schließlich nicht jahrelang herumgehüpft und habe ihn meinen Schatz genannt. Und was die Verbindung zwischen ihm und dem Obeah-Mann angeht, so werden wir sie heute Nacht durchtrennen.
    Oben flüstert Morfran leise und dreht sich dabei gegen den Uhrzeigersinn. Thomas schnappt sich etwas, das aussieht wie eine hölzerne Hand mit ausgestreckten Fingern, und fegt damit die Treppen ab. Dann legt er das Ding wieder weg. Morfran ist inzwischen mit dem Gesang fertig und nickt Thomas zu, der ein Streichholz anreißt und fallen lässt. Im oberen Stockwerk läuft eine blaue Flamme auf einer Linie entlang und erlischt rauchend.
    »Das riecht hier wie bei einem Bob-Marley-Konzert«, bemerke ich, als Thomas herunterkommt.
    »Das ist das Patschuli«, erklärt er.
    »Und dieser Besen, der wie eine Hand aussieht?«
    »Beinwellwurzel, damit das Haus sicher ist.« Er sieht sich um. Ich kann förmlich beobachten, wie er im Kopf eine Checkliste durchgeht.
    »Was habt ihr da oben eigentlich gemacht?«, frage ich.
    »Von dort aus wirken wir den Bindespruch.« Er nickt in die Richtung der Treppe. »Das ist unsere Verteidigungslinie. Wir versiegeln das gesamte obere Stockwerk. Wenn es ganz schlimm kommt, können wir uns dahin zurückziehen. Er kann uns dort nichts tun.« Er seufzt. »Ich sollte dann wohl anfangen, die Fenster mit Pentagrammen zu sichern.«
    Die zweite Front klappert in der Küche herum. Genauer gesagt, sind es meine Mom, Carmel und Anna. Anna hilft Mom mit dem Holzofen, wo sie schützende Zaubertränke braut. Der Duft von Rosmarin und Lavendel, den Zutaten von Heilwassern, weht herüber. Meine Mutter zieht es immer vor, sich auf das Schlimmste vorzubereiten und das Beste zu hoffen. Es liegt bei ihr, einen Spruch zu wirken, der ihn hierherlockt. Natürlich abgesehen von meinem Trick.
    Ich weiß selbst nicht, warum ich so verschlüsselt denke. Dieses Getue mit dem Trick im Ärmel. Ich frage mich sogar selbst, was ich damit meine. Dieser Trick ist ein Täuschungsmanöver. Eine Taktik, die der berühmte Ali erfunden hat. Lass sie glauben, dass du verlierst. Bugsiere sie an die Stelle, an der du sie haben willst, und dann schalte sie aus.
    Worin besteht also mein Trick? Er besteht darin, Anna zu töten.
    Ich glaube, ich sollte mit ihr darüber reden.
    In der Küche hackt meine Mutter irgendein Kraut mit großen Blättern. Auf der Anrichte steht ein offenes Glas mit einer grünen Flüssigkeit, die nach sauren Gurken und Baumrinde riecht. Anna rührt in einem Topf auf dem Herd. Carmel treibt sich in der Nähe der Kellertür herum.
    »Was ist da unten?«, fragt sie und öffnet die Tür.
    Anna zuckt zusammen und sieht mich an. Was würde Carmel da unten finden, wenn sie hinuntergeht? Verwirrt umherschlurfende Körper?
    Vermutlich nicht. Der Spuk scheint lediglich ein Ausdruck von Annas Schuldgefühlen zu sein. Falls Carmel überhaupt auf etwas stößt, wären es vermutlich nur ein paar
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