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Anna, die Schule und der liebe Gott

Anna, die Schule und der liebe Gott

Titel: Anna, die Schule und der liebe Gott
Autoren: Richard David Precht
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wenn, wie in diesem Fall, nahezu alle unabhängigen juristischen und pädagogischen Experten sich einig sind, dass wir eine Verfassungsreform brauchen, die die Länder in der Schulpolitik weniger bedeutsam macht – auf die Einsicht der Bildungsminister in den Ländern darf man nicht hoffen.
    So bleibt eigentlich nur der Weg, die Parteien davon zu überzeugen, dass sie mit der Forderung nach einer neuen Kompetenzverteilung in der Bildungspolitik Wahlen gewinnen können. Die Resonanz in der Bevölkerung ist ihnen gewiss, vor allem dann, wenn tatsächlich ein großer Plan besteht, wie wir unsere Schulen und unser Schulsystem in Zukunft umbauen wollen. Rücksicht auf die Befindlichkeiten von Parteikollegen in den Ländern auf der einen Seite – Zuspruch, Wahlsiege und das Wissen darum, endlich das Richtige in der Bildung zu tun, lautet die Alternative.
    Selbstverständlich ist es nicht das Ziel, Bildung in Deutschland, etwa nach französischem Vorbild, zu zentralisieren. Dass unsere Universitäten und Schulen nicht direkt dem Staat unterstehen und dessen jeweiliger Regierung, ist ohne Zweifel ein Segen. Und zentralisierte Lehrvorschriften für alles und jeden sind ebenso wenig wünschenswert wie eine zentralisierte Personalpolitik. Aber eine Bildungsrevolution, die unsere Schulen auf die Höhe der Zeit bringt, ist nur möglich, wenn diese Revolution nicht an den Ländergrenzen endet. Wenn ein Bundesland das Ziffernsystem bei den Noten abschafft und ein anderes nicht, wird ein Schulwechsel der Kinder von einem Bundesland zum anderen noch schwieriger, als er ohnehin schon ist. Und wenn ein Bundesland Mastery Learning in den MINT -Fächern zum integralen Bestandteil des Unterrichts macht und ein Schulwechsel die Kinder zurück in den Klassenunterricht mit seinen normierten Klassenzielen zwingt , ist das Dilemma vorprogrammiert usw.
    Eine echte Bildungsrevolution, die Deutschland voranbringt und unsere Schulen besser, freundlicher, sozial gerechter und effizienter macht, braucht eine kollektive Anstrengung und eine zentrale Koordination. Zurzeit ist dagegen nicht einmal eine ernsthafte länderübergreifende Verständigung möglich. Keine einzige der vielen kleinen Reformen der letzten Jahre wurde länderübergreifend koordiniert – und das Bildungschaos somit stetig vergrößert. In dieser Situation erscheint es zwingend erforderlich, dass der Bund die Bildungspolitik der Länder koordiniert. Denn dass es ohne solche Koordination nicht geht, haben die Länder bisher höchst eindrucksvoll bewiesen.
    Völlig außer Diskussion dürfte stehen, dass alle Referendare in Deutschland an vergleichbaren Instituten, ich nenne sie Akademien, ausgebildet werden und ein vergleichbares Referendariat durchlaufen. Dass es bis heute in keinem Bundesland gelungen ist, die Lehrerausbildung auf die Erfordernisse des Berufs abzustimmen, ist ein Desaster, über das sich nur den Kopf schütteln lässt. Und es vergrößert sich noch einmal zusätzlich dadurch, dass diese Ausbildung auch überall anders aussieht, dass von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Dabei wäre nicht nur wichtig, alle Lehrer vergleichbar zu bilden und auszubilden. Es geht auch darum, die Unterschiede abzuschaffen, die hier weiterhin zwischen Hauptschullehrern und Gymnasiallehrern bestehen. Auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule wird es ohnehin nur noch eine Lehrerausbildung geben können. Und die führt nirgendwo mehr dazu, dass jemand verbeamtet wird, sondern zu Angestellten, deren Leistung finanziell differenziert wird nach Qualität und Engagement, nicht anders als es bei Privatschulen längst erfolgreich der Fall ist.
    Freiheit für Schulen
    Wie könnte man sich eine solche Befreiung aus der Blockade vorstellen? Der erste Schritt müsste im Bund geschehen, und zwar dadurch, dass man das nahezu bedeutungslose Bildungsministerium mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zusammenlegt. Es ist ein völlig unhaltbarer Zustand, dass beide Ministerien in Deutschland so schlecht miteinander koordiniert sind. So etwa ist in einer Ganztagsschule vormittags das Bildungsministerium beziehungsweise dessen Pendant auf Landesebene, das Kultusministerium, verantwortlich. Am Nachmittag aber übernimmt das Familienministerium beziehungsweise das jeweilige Landes-Sozialministerium die Herrschaft als Verantwortlicher für Förderung und Betreuung. In der Folge ist der Vormittag für Kinder und Eltern kostenfrei und der Nachmittag
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