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Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Titel: Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
Autoren: Laurell K. Hamilton
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hörte ich Niley sagen: »Zu spät, Anita, zu spät.«
     
    Charlotte schrie mit einem Knebel im Mund, schrie in einem fort, so schnell, wie sie Luft holen konnte.
     
    Ich starrte in den Kreis und stellte fest, dass da noch etwas anderes war. Vielleicht war es so schwer zu erkennen, weil es so schwarz war oder weil es wie Rauch war und keine genaue Gestalt hatte. Es war mannsgroß, vielleicht auch einen halben Meter größer, mehr nicht. Es war so dünn, als bestünde es aus Stöcken. Die Beine waren länger, als sie sein sollten, und irgendwie falsch geknickt. Je länger ich starrte, desto mehr nahm es Gestalt an. Der Hals war lang und zurückgebogen wie bei einem Reiher, und es hatte einen Schnabel. Wenn es Augen hatte, so waren sie nicht zu sehen. Das Gesicht wirkte blind und nur halbfertig.
     
    »Sie kommen zu spät«, wiederholte Niley. »Nein, keineswegs.« Ich ging weiter auf den Kreis zu. Niley wirkte schrecklich zuversichtlich, seit der Dämon da war.
     
    »Nur Linus kann ihn dahin zurückschicken, wo er hergekommen ist. Wenn Sie ihm etwas tun, wird der Dämon die gute Charlotte verschlingen.«
     
    Ich ignorierte ihn, weil es seinem Plan entsprach, dass Charlotte gefressen wurde. Sollte er glauben, dass ich etwas anderes annahm. Sollte er glauben, dass sie noch den Nutzen einer Geisel hatte. Ich wollte nah genug herankommen, um den Kreis zu sehen, in dem sie sie gefangen hielten.
     
    Charlotte hatte aufgehört zu schreien. Dennoch konnte ich ihre Stimme durch den Knebel hören. Sie redete jetzt. Eine starke Frau, eine sehr starke Frau.
     
    Der Dämon schritt am Rand des Kreises entlang und warf den langen peitschendünnen Schwanz hin und her. Er wurde immer aufgeregter und bewegte sich selbst wie ein Gefangener.
     
    »Der Kreis ist geschlossen«, sagte Beck. »Ich kann dir befehlen.«
     
    Der Dämon fauchte ihn an, und der Klang schmerzte unter der Schädeldecke. Er drehte sich herum und sah mich an, obwohl er keine Augen hatte. Ich stand jetzt vor dem Kreis. Ich konnte jetzt sehen, dass Charlotte die Augen geschlossen hatte und wusste, was sie tat. Sie betete.
     
    Ich fiel auf die Knie. Von dem Kreis spürte ich nichts. Das bedeutete, er war nicht gegen mich gerichtet. Wen immer er drinnen oder draußen halten sollte, ich war es nicht. »Sie ist rein, Linus. Sie ist rein an Herz und Seele. Sie taugt nicht als Opfer für dieses Wesen.«
     
    »Die Reinen sind eine Delikatesse für meinen Meister.« »Nein, Sie können ihre Seele nicht an ihn verfüttern, Linus. Ihre Seele ist schon vergeben, und dieses Wesen hat darauf keinen Zugriff.«
     
    Der Dämon rückte so weit wie es der Kreis erlaubte von Charlotte weg. Er war nicht glücklich. » Gib ihm deine Befehle, Linus«, verlangte Niley.
     
    »Ich bringe dir Fleisch und Blut und eine Seele als Opfer dar. Nimm mein Opfer an, und tu, wie ich befehle.«
     
    Der Dämon näherte sich Charlotte und beugte sich über sie. Er schnappte vor ihrem Gesicht in die Luft, und sie schrie. Das Gebet verstummte, und der Dämon lachte. Es klang wie knirschendes Blech.
     
    »Das ist ein Kreis gegen das Böse, nicht wahr, Linus? Nur gegen das Böse.« »Sie sind ein Totenbeschwörer. Sie sind böse«, antwortete Niley. »Glauben Sie nicht alles, was Sie hören oder lesen, Niley.«
     
    Der Dämon reckte die Finger ins Mondlicht, Finger mit schwarzen Klingen. Charlotte riss die Augen auf und schrie. Das Vaterunser wäre vernünftig gewesen, aber die Worte kamen mir nicht. Mir fiel nur die Weihnachtsgeschichte ein. »Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde, die hüteten des Nachts ihre Herde.« Ich trat über den Kreisrand. Es schadete mir nicht. Er war gegen etwas Böses gerichtet. Ich war nicht böse.
     
    »Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umleuchtete sie, und sie fürchteten sich sehr.«
     
    Der Dämon klapperte mit dem Schnabel, schnappte nach mir, fuhr mit den rasiermesserscharfen Klingen durch die Luft, ohne mich zu treffen. »Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird.« Ich kniete mich hin und fing an, Charlotte loszubinden. Als ich ihr den Knebel herauszog, zitierte sie mit mir: »Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.«
     
    Ich barg die nackte Charlotte in den Armen. Sie klammerte sich weinend an mich, und auch ich weinte. Und ich wusste, ich musste uns schleunigst aus
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