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Animus

Animus

Titel: Animus
Autoren: Marina Heib
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optimieren könnte, hätten wir eine Menge Zeit gespart.«
    Schmelzer saß, schockiert über die unabänderliche Erweiterung des Projekts und Marchs darüber hinausgehenden Forderungen nach einer Beschleunigung, in sich zusammengesunken da. Er schüttelte den Kopf. »Die Gefahren sind Ihnen bekannt. Wir können froh sein, dass die Nebenwirkungen inzwischen so weit eingegrenzt sind, dass wir zuverlässig arbeiten können. Zuverlässigkeit ist schließlich das A und O in dieser Geschichte. Was nützt es, wenn die Frauen zwar früher alarmieren, ihr Urteil aber ohne Gewähr ist? Man könnte vielleicht um ein Jahr verkürzen, vielleicht eineinhalb, aber mehr nicht, und das auch nur mit einem hohen Risiko.«
    Schmelzers Stimme wurde immer leiser. Man gewann den Eindruck, dass er nur noch mit sich selbst redete. Er stierte geistesabwesend auf die Unterlagen auf dem Tisch, ohne sie wirklich zu sehen.
    »Mal ganz abgesehen von den sicherlich lösbaren wissenschaftlichen Problemen«, hob Walcott mit einem zufriedenen Seitenblick auf den außer Gefecht gesetzten Professor an, »gibt es auch organisatorische Fragen zu klären. Wir müssen das Ausbildungslager ausbauen, mehr Personal zur medizinischen und materiellen Versorgung und vor allem auch zur Bewachung einstellen. Ein wichtiger Punkt für mich, denn zu dem Ausfall der Neun in Los Angeles ist es nur gekommen, weil wir auf Professor Schmelzers Anraten hin die permanente Beobachtung ab Stufe Sieben aufgehoben haben. Die Frauen, die von meinen Männern observiert werden, tanzen nicht aus der Reihe. Deshalb beantrage ich, dass die Verfügung, Ratten ab Stufe Sieben freizustellen, wieder aufgehoben wird.«
    »Wie können Sie es wagen!« Schmelzers Kampfgeist flammte sofort wieder auf, seine Augen sprühten Feuer.
    March ging dazwischen: »Ich kann Ihre Bedenken, was die Bewachung betrifft, nachvollziehen, General Walcott. Aber die bedauerlichen Ereignisse vor vier Jahren haben hinlänglich bewiesen, dass Professor Schmelzer richtiglag mit seiner Empfehlung, den Frauen ein möglichst normales Leben zu gestatten. Die permanente Bewachung stellt ganz offensichtlich einen so großen sozialen Stress dar, dass die für ihren Job erforderliche Sensibilität sich nicht entfalten kann, auch wenn man ihnen noch so viel C15 verabreicht. Deshalb werden wir diese Diskussion gar nicht erst wieder aufgreifen, und ich lehne Ihren diesbezüglichen Antrag ab. Was den Ausbau des Lagers und die Personalaufstockung betrifft, haben Sie jedoch meine volle Unterstützung. Lassen Sie eine Bedarfsliste anfertigen, ich werde alles Weitere veranlassen. Doch jetzt wollen wir Pete nicht länger langweilen, schließlich ist er hier, um uns neue Rekruten vorzustellen. Was haben Ihre Recherchen ergeben, Pete?«
    Ich nahm meine Akten aus der Tasche und verteilte die Dossiers. Ich hatte mich längst nicht so gut amüsiert wie erwartet. Die Auseinandersetzung zwischen Schmelzer und dem General berührte dermaßen kritische Punkte unseres Projekts, dass auch in mir ein ungutes Gefühl zurückblieb. Ein Gefühl, das mir jedes Mal die Laune verdarb, wenn ich über mögliche moralische Rechtfertigungen und die Frage nach deren Notwendigkeit nachgrübelte, um einen Ausweg zu finden, den es nicht gab.
    »Wir haben vor zwei Jahren eine Neurekrutierung ins Auge gefasst, die wir dann aus prinzipiellen Gründen unterlassen haben. Ich darf betonen, dass einige meiner damaligen Vorschläge trotz neuerlicher Prüfung heute noch Bestand haben. Das soll nicht als Beleg für meine Faulheit gelten, sondern als Beweis für meine schon damals vorhandene Sorgfalt.« Ich startete meinen Vortrag in einem bewusst spielerischen Tonfall, um die negativen Schwingungen, die den Raum elektrisierten, zu entschärfen. »Da wäre Pamela Dickinson, 28 Jahre, verurteilt zu lebenslanger Haft wegen Muttermord. Ziemlich kaltblütig, hochintelligent und organisiert. Dann hätten wir Sarah Nelson, 26 Jahre, verurteilt zu lebenslänglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge ….«
    Ich ging meine komplette Liste durch, verlas Namen, Daten, psychologische Gutachten und die Intelligenz- und Emotionsquotienten. Der General schien sich nicht für die Details zu interessieren. Ihm war völlig egal, welche Delinquentin an ihn überstellt wurde. Er betrachtete die Frauen als Ware: Menschenmüll, den er in eine verwertbare Form presste. Schmelzer hingegen vertiefte sich eingehend in die Fotos, lauschte meinen Ausführungen und studierte
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