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Animus

Animus

Titel: Animus
Autoren: Marina Heib
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blickte abweisend in die Runde, um klarzumachen, dass diese Frage rein rhetorisch gemeint war. Er wollte gerade fortfahren, als gleichzeitig Schmelzer und Walcott zu sprechen begannen. March hob abwehrend die Hände und erteilte Schmelzer das Wort.
    »Ich möchte an dieser Stelle zum wiederholten Male betonen, dass ich strikt gegen eine Erweiterung von ›Cassandra‹ bin. Bislang war ich der Überzeugung, dass dieses Thema ein für alle Mal vom Tisch wäre. Ich betrachte das Projekt als gescheitert, und zwar weniger aus wissenschaftlichen als vielmehr aus humanistischen Gründen. Wie ich nach den Ereignissen vor vier Jahren schon konstatierte –«
    »Sie können konstatieren, so viel Sie wollen, lieber Professor«, fuhr der General schneidend dazwischen, woraufhin ich mich mit verschränkten Armen in meinem Stuhl ein Stück tiefer rutschen ließ. Ich wollte die sich ankündigende Vorstellung in möglichst bequemer Haltung verfolgen.
    »Ihre humanistischen Gesichtspunkte sind völlig fehl am Platz«, sagte Walcott mit seiner Fistelstimme. »Schließlich haben wir es nicht mit pickeligen Teenagern zu tun, die wir vor dem Bösen in der Welt beschützen müssen. Wir reden hier von Ratten, von beschissenen Weibern, die wir aus dem Knast geholt haben, damit sie unserem Staat zu irgendetwas nützlich sind, bevor sie abkratzen. Da diese Anforderung erfüllt wird, ist das Projekt keineswegs als gescheitert zu betrachten. Ich weiß, Herr Professor, dass Ihnen meine Ausdrucksweise zu rüde und ungebildet ist. Aber ich sehe die Dinge, wie sie sind, und nenne sie beim Namen, statt mir die Realität mit schöngeistigen Ideologien aus vergangenen Jahrhunderten vom Leibe zu halten.«
    »Hört, hört«, meinte Schmelzer spöttisch. Mit festem Blick hinderte er March am Eingreifen. »In der Tat, mein Lieber, passt mir Ihre Ausdrucksweise ganz und gar nicht. Außerdem liegt es mir am Herzen zu betonen, dass ich den aktuellen Verlust, wie Sie, Mister March, es zu nennen belieben, ebenfalls nicht stillschweigend akzeptieren kann. Man lässt mich zwar im Dunkeln über die genauen Vorgänge – ich vermute aus Rücksicht auf meine schon erwähnte zartfühlende Seele –, dennoch ist mir zu Ohren gekommen, dass das Dahinscheiden unserer Neun keineswegs auf biochemischen Komplikationen oder gar natürlichen Ursachen beruhte. Ich bin vielmehr überzeugt, dass der General seine Finger im Spiel hatte. Ein Spiel, das er auf pervertierte Art und Weise mit ›Eliminieren eines Sicherheitsrisikos‹ umschreibt. Ich nenne es Mord!«
    Beim letzten Satz schlug Schmelzer derart fest mit der flachen Hand auf den Tisch, dass sogar der beherrschte March zusammenzuckte.
    Ich fand, dass es Zeit war einzugreifen. Der General war vor Wut rot angelaufen, während Schmelzer am ganzen Körper zitterte und eher bleich aussah. Doch bevor ich etwas sagen konnte, hatte March sich eingeschaltet: »Meine Herren, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihre Grundsatzstreitigkeiten unterlassen könnten. Zumindest bis ich wieder aus dem Raum bin. Seien Sie versichert, Professor Schmelzer, dass es keine andere Lösung gab, sonst hätte ich sie gewiss favorisiert. Von Mord wollen wir nicht reden, das trifft nicht den Kern der Dinge. Aber wie dem auch sei, diese Vorkommnisse sind ein weiterer Grund, neue Sensoren – das ist mir immer noch lieber als ›Ratten‹ – zu rekrutieren. Nur durch intensivere Ausbildung und genauere Beobachtung in den ersten Jahren lassen sich Unwägbarkeiten im Verhalten der Frauen ausschließen. Ich hoffe, wir sind uns wenigstens in diesem Punkt einig. Außerdem reicht unser Kontingent, vor allem in Anbetracht der ansteigenden terroristischen Aktivitäten, schlichtweg nicht mehr aus. Wir müssen flächendeckend arbeiten. Angestrebt ist, in jeder Großstadt einen Sensor höheren Ranges zu haben, der dann auch für die Umgebung des städtischen Gebiets zuständig ist. Außerdem brauchen wir dringend einen Sensor höheren Ranges in New York, da sich die Stadtguerillas offensichtlich dort ihr neues Hauptquartier einzurichten gedenken. Wir planen, vorerst die Acht aus San Francisco abzuziehen. Die ganze Angelegenheit ist jedenfalls mit erheblichem Aufwand und zeitraubenden Vorbereitungen verbunden. Es wird Jahre dauern, bis wir unser Ziel erreicht haben. Für diese Planung sind wir hier. Eine Frage an Sie, Professor: Ist es tatsächlich unmöglich, das Hormon in höherer Dosis zu verabreichen oder in kürzeren Intervallen? Wenn man da etwas
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