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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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melancholisch. Ich drücke Gloria an mich und werde von Kraft durchflutet. Ich fühle mich stark, voller Energie. Ich liebe diese geile Schlampe, habe aber keine Lust, das zuzugeben. Gloria ist eine Falle. Ich weiß, dass sie eine Falle ist.
     

6
    Am Sonntagmorgen ging ich früh los, um Brot zu holen. An der Ecke Laguna sind nur noch Trümmer übrig. Ein paar randvolle Container mit faulendem Müll stehen da, ein Schutthaufen, stinkende Wasserlachen. Und mitten auf der Straße zwei herrliche Exemplare, von alledem völlig unberührt. Ein Mädchen und ein Junge. Sehr weiß und blond. Ungefähr achtzehn Jahre alt. Sie führten Kleidung vor. Eine Gruppe Japaner schoss Fotos von ihnen. Ein Make-up-Stylist sprühte ihnen etwas Nasses und Glänzendes ins Haar. Die Kleidung war weiß, rosa und blassblau. Einfache Kleidung. Entzückend einfach. Herrlich teuer. Ich nehme an, dass in diesem fahlen Sonnenlicht inmitten all dieses Drecks der Charme dieser beiden Gestalten, so weiß wie Papier, mit sanften, unschuldigen, engelsgleichen Gesichtern, umso mehr hervortritt. Als Hintergrund dienten immer ein verfallenes Gebäude, ein paar räudige, magere Hunde sowie einige mit offenem Mund glotzende Neger. Zuschauer hatten sich angesammelt. Die Nachbarschaft glotzte doof und bewahrte respektvolles Schweigen. Niemand kam und bettelte um Kaugummi oder Kleingeld. Auch zwei Polizisten sahen diskret aus einigen Metern Entfernung zu. Die Nachbarn waren verzückt. Alles Neger oder Mulatten, ein bisschen schmutzig, ein bisschen heruntergekommen, ein bisschen verseucht. Ich blieb stehen, um mir das Ganze anzusehen. Die Japaner lächelten, glücklich und zufrieden. Hier und da stieg der Fotograf auf eine Trittleiter aus Aluminium. Forderte die Models auf, näher an Schutt und Müll heranzugehen. Die jungen Leute verzogen angeekelt das Gesicht, weil der faulende Müll stank, doch dann fingen sie sich wieder und zeigten ein sehr entspanntes, leichtes Lächeln. Professionalität nennt man diese Selbstbeherrschung, glaube ich. Daraufhin schoss der Fotograf hoch von seiner Leiter hinab Bilder. Eine Frau neben mir sagte, es seien Ausländer. Sie war eine sehr nette Negerin mit sieben Halsbändern auf der Brust, die mir manchmal geschmuggelten Tabak verkauft. Ich antwortete ihr, die Fotografen seien Japaner, die Models aber Kubaner. Sie entgegnete mir darauf im Brustton der Überzeugung: »Von wegen! Siehst du nicht, wie blond und weiß sie sind? So hübsch wie die, das sind Ausländer.« Ich wusste, es waren Kubaner. Keine Ahnung, woher, aber man sah ihnen den kleinen Kubaner auf eine Meile Entfernung an. In welchem Treibhaus mochten die Japaner sie wohl aufgetrieben haben?
    Ich machte mich wieder auf den Weg. Kaufte Brot. Als ich zum Haus zurückging, kam Gloria wie eine Rakete herausgeschossen. Ein junger Mulatte, gekleidet wie ein Neger und mit einer ziemlich dicken Goldkette und einem Medaillon, das aus dem Hemd herausbaumelte, begleitete sie. Ein hübsches Kerlchen mit dem Gesicht eines Knabenschänders.
    »Was ist los? Wohin willst du so früh?«
    »Schätzchen, ich seh dich später, jetzt bin ich ziemlich in Eile.«
    Ich atmete tief ein.
    »Hmmm … du musst dir einen ganzen Liter Parfüm übergekippt haben.«
    »Hahaha. Ciao. Bis später, mein Süßer.«
    Sie gab mir ein Küsschen und eilte weiter. Lächelnd ging ich hinauf. Gloria war auf Yankee-Jagd, und ich war schon lange nicht mehr am Strand gewesen. Ich zog mir eine Badehose unter der Hose an und fuhr nach Guanabo. Eine Busfahrt zu zehn Pesos, und eine Stunde später saß ich unter einer Kokospalme. Es wehte ein starker Wind, aber die Sonne schien herrlich, und alles war still und ruhig. Wie viele Jahre war es her, seit ich zuletzt am Strand gewesen war? Uff, ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern. Im Sand lagen Dosen, Flaschen, Plastik, Bonbon- und Pommes-frites-Tüten. Wir sind dabei, in die Moderne einzutreten. Mit ziemlichem Tempo. Die Moderne fällt bei uns ein. Ich zog mir Klamotten und Schuhe aus, packte alles in einen Rucksack und spazierte in der Badehose ein Stück am Ufer entlang. Das kalte Wasser umspülte meine Knöchel. Plätschernd ging ich bis zu den Steinen. Scheinbar endete hier der Strand, aber das sah nur so aus. Vor dreißig Jahren hatten die Russen beschlossen, tausende von riesigen Steinbrocken hier abzuladen, die sie mit ihren KP3-Lastern aus dem umliegenden Land herankarrten. Die Russen sprachen nicht, handelten nur. Einige von ihnen behaupteten,
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