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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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geschafft.«
    »Wieso?«
    »Das hier macht mich fertig. Mein Leben lang war ich süchtig danach.«
    »Wonach?«
    »Dass man sich vor mir einen runterholt und ich meine Möse zeige, mit gespreizten Beinen.«
    »Weil du dich daran gewöhnt hast.«
    »Von klein an. Ich riss mir ein Loch ins Höschen, und meine Mutter wusste nicht, dass es von mir war. Damit ich die Beine spreizen und man alles sehen konnte.«
    »Du kennst keine Regeln. Du bist wirklich vollkommen durchgeknallt.«
    »Das ist doch nichts Schlimmes. Ein Zeitvertreib wie anderes auch. Ballspiele und Domino sind nichts für mich, ich gehe lieber an den Strand und zeige ein Stückchen Möse, Titte oder Po. Sofort kommen die Spanner angerannt. Und wichsen wie die Blöden. Und wenn ich an dem Tag gerade in perverser Laune bin, rufe ich sie und sage zu ihnen: ›Los, los, zwanzig Pesos von jedem. Oder die Show ist zu Ende, und das Personal macht Urlaub.‹«
    »Und zahlen sie?«
    »Was glaubst du wohl. Einige geben mir das Doppelte und Dreifache und sagen: ›Aber ich mache ganz langsam. Bleib eine Stunde so stehen, und rühr dich nicht.‹«
    »Und du machst schön das Model.«
    »Das ist meine Kunst, Süßer: tanzen, modeln, mich zur Schau stellen. Mir ist egal, ob man mich zeichnet oder sich einen runterholt. Hauptsache, sie zahlen … Pinke, Pinke. Unterstützen Sie einen Künstler Kubas! Wie mein Vater immer sagte, wenn er in den Bars Gitarre spielte.«
    Sie erschauderte.
    »Ah, ja, sag mal … komm, gib mir etwas Rum, und hol mir eine Zigarre.«
    Sie setzt sich auf die Bettkante. Lässt sich Zeit, die Augen geschlossen. Trinkt ein paar Schluck Rum. Zündet sich die Zigarre an. Raucht in aller Ruhe. Öffnet die Augen und sagt: »In deiner Wohnung ist eine Frau, die ständig an deinem Schreibtisch sitzt und schreibt. Sie ist nicht alt. Sie muss so ungefähr zweiundvierzig Jahre alt sein. Sie benutzt ein gutes Parfüm, und man sieht, dass sie eine elegante Frau war, aber mit einem Doppelleben. Sie führte ein heimliches Nachtleben und war sehr romantisch. Sie raucht Zigaretten und amüsiert sich. Sie lacht sehr gerne. Immer ist sie guter Dinge, fröhlich, optimistisch. Manchmal spielt sie mit dir, und du nimmst dann den Duft ihres Parfüms oder den Rauch ihrer Zigaretten auf. Das geschieht immer dann, wenn du an deinem Schreibtisch sitzt und schreibst. Und dann erschrickst du und läufst zum Altar, um zu beten und die Toten zu bitten, dich in Ruhe zu lassen.«
    »Verdammt, Gloria, woher weißt du das?«
    »Ich sehe es. Sei still, unterbrich mich jetzt nicht. Die Frau sitzt an deinem Tisch und schreibt. Sie ist sehr elegant und will die Zigeunerin nicht ansehen. Sie ignoriert sie.«
    »Wie heißt sie?«
    »Ich weiß nicht. Was sie sich zu Lebzeiten nicht getraut hat zu schreiben, schreibt sie jetzt bei dir … sie trägt … ein schwarzes Kleid, knöchellang und hochgeschlossen. Mit langen Ärmeln. Das Haar zu einem Knoten hochgesteckt. Sie mag vor hundert Jahren gestorben sein, wer weiß? An dem Kleid kann man sehen, dass sie vor ziemlich langer Zeit gestorben ist … sie sagt, du sollst den Roman anfangen und keine Angst haben … sie sagt, sie schreibt für dich. Blumen will sie von dir haben.«
    »Manchmal …«
    »Schscht, sei still. Du stellst zwar Blumen auf den Altar, aber die sind nicht für sie. Diese Dame will weiße und gelbe Blumen in einem Glas Wasser, und das sollst du auf den Arbeitstisch vor dich stellen … und erschrick nicht über das Parfüm oder den Rauch. Sie hilft dir … und … hör dir das an: Spürst du manchmal eine Kraft, die dich mitreißt, und du schreibst und schreibst und kannst gar nicht aufhören? Und hast eine Sache gedacht, aber eine andere geschrieben, sodass am Ende etwas ganz anderes dasteht?«
    »Ja. Sehr oft sogar. Es ist wie eine Trance, und ich kann gar nicht aufhören.«
    »Weil nicht du es bist. Sie ist diejenige, die schreibt. Sie sagt, zu Lebzeiten sei sie nicht dazu gekommen. Und noch ein Letztes: Sie sagt noch einmal, du sollst anfangen, den Roman zu schreiben, sie ist immer da. Stell ihr weiße und gelbe Blumen hin … das war’s … sie ist weg.«
    Gloria stand auf, zog eines meiner Hemden an und ging hinaus auf die Dachterrasse, um irische Luft zu schnappen. Sie atmete ein bisschen durch und kam dann ruhiger wieder.
    »Sieh dir meine Hände an.«
    Ich fühle ihre Handflächen. Sie glühen. Sie muss vierzig Grad Fieber haben oder mehr.
    »Nicht so schlimm. Wenn mir der Kopf so heiß wird, habe ich Schmerzen
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