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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Vielleicht bekommt sie so ein Stipendium in Rom. Intellektuelles Anschaffen. Ganz eindeutig verführt sie den Italiener, wickelt ihn ein. Der Typ ist im Nachteil. Er kommt aus dem Norden, aus Mailand. Wäre er Neapolitaner, würde er sich an die kleine Kubanerin heranmachen und hierher kommen, um in den Tropen zu leben. In den letzten Jahren sind hier deutsche, spanische, italienische, französische Architekten vorbeigekommen. Haben Videos und Fotos gemacht. Ich ahne, dass das Wohnen am Küstenstreifen von Havanna zu einem Luxus wird. Die Karibik ganz gemütlich von meiner Dachterrasse aus zu sehen ist ein unglaubliches Privileg. Bis wann? Endlich sind sie fertig und gehen. Wir brechen auf nach Mantilla. Beim Hinuntergehen finden wir auf dem Treppenabsatz zwischen dem sechsten und dem fünften Stock einen Riesenhaufen frischer, stinkender Scheiße vor.
    »Verdammt, die Blöde hat wieder hingeschissen!« Es ist Elenita, die Blöde, die weiter unten wohnt. Sie kommt hoch und scheißt ins Treppenhaus. Seit Jahren macht sie das. Gloria wird wütend.
    »Du wirst sehen, das tut sie nicht noch einmal. Warte hier.« Sie geht in ihre Wohnung. Holt ein Stück Karton. Kommt zurück. Hebt die Scheiße mit dem Karton auf. Geht hinunter in den Stock, wo die Blöde wohnt, und schleudert den Scheißehaufen gegen ihre Wohnungstür. Die Scheiße läuft herunter. Stinkt ekelhaft.
    »Jedes Mal, wenn sie auf die Treppe kackt, mach ich das bei ihr. Du wirst schon sehen, wie sie Respekt lernt.«
    Wir nehmen die Galiano Richtung Parque de la Fraternidad. Jeden Tag warten mehr Bettler, die um Almosen bitten. Manchmal lassen sie sich was Schlaues einfallen. Die Goldmedaille des heutigen Tages hat ein Mongoloider davongetragen, der sich unaufhörlich besabbert. Der Vater setzt ihn auf den Boden. Er lehnt ihn mit dem Rücken gegen die Wand, damit er nicht umfällt. Der Junge mag so ungefähr zwanzig sein. Er markiert den schlaffen Tölpel und kippt um wie eine unförmige Masse. Geduldig hebt der Vater ihn wieder in Sitzposition. So geht das mehrmals hintereinander. Er zieht ihm die Schuhe aus. Der Idiot hat verkrüppelte Füße. Daraufhin zündet der Mann um seinen Sohn herum vier Kerzen an, unter denen jeweils Heiligenbilder liegen. Er hängt dem Jungen ein Schild um, auf dem mit Bleistift steht: »Ich bin körperbehindert. Helfen sie. Um zu essen. Ist nicht meine Schuld, das ich auf die Welt kam. Bin ein Son von San Lasaro. Danke.« Der Vater wickelt seinem Sohn ein paar Halsbänder von Obtalá und Eleguá um das rechte Handgelenk und entfernt sich ein paar Schritte. Betrachtet sein Werk. Es gefällt ihm. Er stellt dem Idioten einen Teller zwischen die Beine, lässt ein paar Münzen darauf fallen, als Anreiz, und entfernt sich einige Meter. Die Leute fangen an, stehen zu bleiben, um sich das anzusehen, und die Münzen fallen auf den Teller. Der Vater passt auf. Jedes Mal, wenn eine Kerze erlischt, beeilt er sich, sie wieder anzuzünden. Der Idiot wirkt einsam und verlassen. Sie haben einen herzzerreißenden Effekt geschaffen.
    In Gedanken versunken blieb ich vor der Montage stehen und sah zu, wie die Ersten Münzen auf den Teller warfen. Gloria holt mich zurück in die Wirklichkeit:
    »Willst du den ganzen Tag hier stehen bleiben?«
    »Der arme Junge.«
    »Dreiste Kerle sind das.«
    »Der Junge ist ein Idiot. Es ist nicht seine Schuld, wenn ihn der Vater ausnutzt.«
    »Hahaha, der Idiot bist du.«
    »Ist er nicht behindert?«
    »Natürlich nicht. Ein Wichser ist der Mulatte. Als ich im Kinderkreis von Trocadero arbeitete, war er immer da, zusammen mit noch drei, vier weiteren Wichsern.«
    »Auf wen haben sie denn abgefeuert?«
    »Auf uns Frauen, Schätzchen.«
    »Und warum habt ihr das zugelassen?«
    »Um uns ein Weilchen zu amüsieren. Sie wurden immer dreister. Fünf oder sechs waren’s. Und dieser Mulatte war einer davon. Vielleicht ist er von dem ganzen Gewichse verblödet, der Trottel.«
    »Gloria, du hast ein verbranntes Hirn.«
    »Eich?! Die Hirnverbrannten waren sie. Sie haben sich über die Mauer gelegt und uns ihre Schwänze gezeigt, und wir Frauen spreizten die Beine. Und gleich darauf feuerten sie ab. Wie Verrückte rissen sie die Augen auf. Hahaha. Jeden Abend dasselbe Spiel. In ihrer Geilheit wurden sie immer dreister, hahaha.«
    »Ich sehe überhaupt nicht, was es da zu lachen gibt. Du bist ein Aas.«
    »Ach, Schätzchen, die Arbeit war stinklangweilig. Den ganzen Tag Kinder hüten.«
    »Er ist also nicht behindert?«
    »Ein
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