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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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aufgebunden hatten, ein wenig abwandeln. Marten durfte bei diesem Gespräch natürlich nicht zugegen sein, aber das würde sie schon zu erreichen wissen.
    Gegen Morgen fand sie endlich ein wenig Schlaf und erwachte zerschlagen spät am Vormittag von dem Geräusch schwerfälliger Schritte, die die Treppe hinabstolperten. Die Küche war leer, und die Tür zum Hof stand weit offen. Ida machte Feuer und setzte den Wasserkessel auf.
    Marten tappte auf bloßen Füßen von draußen herein und warf ihr einen schrägen Blick aus blutunterlaufenen Augen zu. Ida sah ihm zu, wie er sich ungelenk bückte und in einem großen Ledersack herumwühlte. Er trug wieder seine alten Kleider, die zerdrückt und schweißdurchtränkt an seinem Körper klebten, als hätte er in ihnen übernachtet. Sein Bauch wölbte sich schwer über den geöffneten Bund seiner Hose, und das schmuddelige Hemd, das lose mit ausgefransten Säumen darüber hing, war am Ellbogen zerrissen und reichlich mit Fett- und Weinflecken verziert. Er fand, was er gesucht hatte, und richtete sich schnaufend auf. Den Krug unter den Arm geklemmt, schabte er sich mit seinen Wurstfingern durch die Bartstoppeln an seinem Hals und verließ wortlos die Küche. Ida hörte ihn die Treppe hinauftrampeln und seine Tür zuschlagen.
    Ida verbrachte den Tag am Flussufer. Sie nutzte die Gelegenheit, zu baden und ihre Kleider zu waschen. Dann lag sie in der Sonne, ließ sich trocknen und feilte an der Geschichte, die sie der Khanÿ aufbinden wollte. Sie musste einer oberflächlichen Überprüfung standhalten. Ida wollte nicht den Fehler begehen, die Frau zu unterschätzen. Sie wusste nicht genug über sie, um sich ein Bild von ihr machen zu können, aber in ihrer Vorstellung war sie groß, imposant und Furcht einflößend, mit eisigen dunklen Augen und einem sadistischen, schmalllippigen Mund.
    Sie schüttelte das Bild ab und sammelte ihre trockenen Kleider ein. Zurück im Haus blieb sie einen Moment lang lauschend am Fuß der Treppe stehen. Aus Martens Kammer war kein Laut zu hören, wahrscheinlich lag er sinnlos betrunken auf seinem Bett.
    Der Tag ging irgendwie vorbei. In der Abenddämmerung kam Marten wieder in die Küche gewatschelt. Er sprach kein Wort, bereitete sich unter Idas verachtungsvollen Blicken mit unsicheren Bewegungen eine kalte Mahlzeit und trug sie mit einem weiteren Krug Wein hinauf in seine Kammer.
    »Ich hoffe, du bist morgen wieder nüchtern genug, damit wir aufbrechen können«, rief sie ihm hinterher, aber als einzige Antwort schmetterte er die Tür zu.
    Ida war nicht schlecht überrascht, Marten schon beim Frühstück zu finden, als sie frühmorgens in die Küche kam. Er knurrte einen Gruß und schob ihr Eier und Schinken hin. Sie aßen schweigend, und ebenso schweigend räumten sie alles auf, packten ihre Sachen zusammen und sattelten die Pferde, die ausgeruht und voller Bewegungsdrang von einem Bein auf das andere traten.
    Sie ritten nach Westen, wobei sie flaches, größtenteils bewirtschaftetes Land und ausgedehnte lichte Laubwälder durchquerten. Inmitten von Feldern, auf denen zarte grüne Getreidehalme zu sprießen begannen, lagen vereinzelte einsame Gehöfte.
    Hin und wieder begegneten sie auch Menschen: einem Bauern, der auf einem Feld stand, einen breitkrempigen Strohhut in der Hand, und sich die Augen beschattete, während er ihnen hinterher sah, wie sie vorbeiritten; einer alten Frau und zwei kleinen Kindern, die mit einem Esel und einem Handkarren unterwegs waren, wohl, um Holz zu sammeln, und einmal einer kleinen Patrouille von Uniformierten, die sie anhielten und nach ihrem Woher und Wohin fragten.
    Ida überließ Marten die Formalitäten und musterte die Soldaten. Sie waren in weite, weiße Hosen und ebensolche Tuniken gekleidet, über denen sie leichte, dunkle Lederwesten trugen. Ihre Bewaffnung bestand aus Kurzschwertern und kleinen Wurfäxten, und sie hatten dunkelblaue Stoffstreifen um ihre sonnenverbrannten Stirnen gebunden. Die Haare trugen sie lang und zu einem Zopf geflochten, der ihnen über den Rücken hing.
    Der Oberste der Patrouille zeigte sich befriedigt von Martens Auskünften und wünschte ihnen eine gute Weiterreise. Er salutierte höflich, bevor die Soldaten wieder auf ihre Pferde stiegen und weiter in die Richtung ritten, aus der Ida und Marten gekommen waren.
    »Die waren aber freundlich«, sagte Ida verwundert und vergaß darüber ganz ihr eisernes Schweigen, das sie bisher Marten gegenüber gewahrt hatte.
    Marten grinste
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