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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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verdutzt an.
    »Das kannst du dir doch denken«, sagte er unwillig. Dann hellte sich seine Miene auf. »Ach so, du meinst, wohin genau sie gebracht werden. Schlauer Bursche. Das wird eine deiner Aufgaben sein, Stefan. Ich habe immerhin so viel herausgebracht, dass eine Art von Verteiler für sie in der Nähe von Nortenne existieren soll. Von da aus werden sie an die einzelnen Kunden verkauft. Klemm dich dahinter, Junge. Ich will Namen, Kontaktleute. Du weißt schon.« Er stieß Ida verschwörerisch in die Seite. Dann sah er sie besorgt an. »Du bist ganz grün um die Nase, bist du krank?«
    Ida log, dass sie das reichliche Essen nicht gut vertrug. Storn lachte laut auf. »Da hast du dir aber genau den richtigen Liebhaber ausgesucht. Ich habe mich schon gewundert, wieso du noch so dünn bist. Kotzt wohl alles wieder aus, hm?« Er schüttelte sich vor Lachen. Ida zwang sich zu einem verkrampften Grinsen und murmelte, sie wolle sich lieber etwas hinlegen.
    Storn winkte ihr vergnügt nach, als sie von dem Kahn mit seiner grausigen Fracht sprang, und verschwand wieder unter Deck. Ida ging nicht ins Haus zurück. Ziellos und blind für ihre Umgebung lief sie das Flussufer hinauf. Das Wasser plätscherte fröhlich gegen die sanfte grüne Böschung, Vögel sangen, und freundlicher Sonnenschein wärmte ihren Scheitel. Irgendwann erwachte sie aus ihrem Elend und sah sich um. Das Haus lag weit hinter ihr, und der unselige Kahn war von hier aus nur noch ein schmutziger schwarzer Fleck im Wasser. Ida kämpfte den würgenden Brechreiz nieder und ließ sich schwach wie nach einem tagelangen Marsch ins Gras sinken. Die Gesichter der Gefangenen tanzten vor ihrem Blick; trübe, verängstigte Augen sahen sie an und schienen um Hilfe zu flehen. Ida erinnerte sich mit einer erneuten Welle von Übelkeit an die »kleineren Exemplare« bei dem ersten Transport, die Storn Marten gegenüber erwähnt hatte, und musste heftig schlucken. Sie drückte eine Faust gegen den Mund und zog ihre Knie an die Brust. Sie musste etwas gegen diesen Handel unternehmen, sie musste unbedingt dafür sorgen, dass er aufhörte, sonst würde sie nie wieder ruhig schlafen können.
    Die Sonne stach mittlerweile giftig von einem grünlichen Himmel, und am Horizont zogen düster dräuende Wolken auf. Die Vögel waren verstummt. Die drückende Luft schien in Erwartung des Gewitters geradezu vor Erregung zu vibrieren. Ida stand auf, sie fühlte sich elend und zerschlagen. Der Kahn war fort. Ida blickte reglos auf den bleiern daliegenden Fluss und machte sich auf den Rückweg.
    Als sie den Hof betrat, fielen die ersten, großen Tropfen. Donner grummelte in der Ferne. Die Hintertür stand weit offen, und Ida lehnte sich schweigend an den Türrahmen. Marten stand leise vor sich hinpfeifend am Herd und rührte in etwas überaus verlockend Riechendem herum. Er hatte sich andere Kleider besorgt, stellte sie teilnahmslos fest. Die zeltartig weite Hose unter einer etwas zu engen Tunika und die alberne blaue Schärpe, die er um seinen riesigen Bauch gewickelt trug, ließen ihn womöglich noch umfangreicher erscheinen als seine übliche Kleidung.
    Sie regte sich unbehaglich, und Martens Kopf ruckte herum. Ohne in seinem Tun innezuhalten, nickte er ihr zu. »Storn ist weg«, sagte er. »Ich soll dich grüßen. Hast du Hunger? Du siehst blass aus.«
    Ida setzte sich schweigend an den Tisch und schloss die Augen. Der übermächtige Ekel, den sie bei seinem Anblick empfand, ließ sie beinahe ohnmächtig werden. Sie musste an sich halten, um ihm nicht ihr Messer in den fetten Bauch zu jagen und die Welt so von einer widerlichen Pestbeule zu befreien.
    Schwere Schritte durchquerten die Küche, und die Bank, auf der sie saß, senkte sich unter Martens gewaltigem Gewicht. Eine plumpe Hand landete weich auf ihrer Schulter. Von Widerwillen geschüttelt machte sie sich frei und rückte hastig beiseite. Marten sah sie besorgt an. Sie schluckte ihren Abscheu hinunter und zwang sich zu einem winzigen Heben der Mundwinkel.
    »Wann reiten wir los?«, fragte sie heiser. Marten ließ sie nicht aus den Augen. Seine Miene zeigte düsteren Argwohn.
    »Frühestens übermorgen«, antwortete er schließlich und wuchtete seine Massen wieder in die Höhe. Er kehrte an den Herd zurück und sprach weiter, während er ihr den Rücken zuwandte: »Ich will Storn die Gelegenheit geben, der Khanÿ Bericht über meine Verfehlungen zu erstatten. Je tiefer er sich selbst reinreitet, desto besser.« Er verstummte
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