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Angstfalle

Angstfalle

Titel: Angstfalle
Autoren: Elke Schwab
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Weile an, bis er sich umdrehte und verschwand.
    So betroffen hatte sie ihn noch nicht gesehen.
    Aber Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihr nicht, denn die Arbeit wartete. Fast alle Stühle im Salon waren besetzt.
    Am Abend war der Nikolaus verschwunden. Ihre Reaktion war wohl doch zu heftig ausgefallen. Obwohl Trixi Rolands Liebeswerben nicht nur verabscheute sondern sogar fürchtete, war sie enttäuscht.
    Der junge Mann verlor kein Wort mehr über die Angelegenheit. ›Natürlich‹, dachte Trixi. Diesen dummen Streich einfach so zuzugeben, wäre sein erstes Eingeständnis, dass er ein Spiel mit ihr trieb. So gesehen war sein Verhalten raffiniert. Er sprach einfach nur das Nötigste mit ihr, was ihr nur recht sein konnte.
    Aber es dauerte nicht lange, da ging der Spuk weiter. Trixi kam von der Arbeit nach Hause, müde, erschöpft, keine Spur von Weihnachtsstimmung in ihr. Kaum hatte sie das Haus betreten, spürte sie, dass dort etwas anders war. Gänsehaut kroch in ihr hoch, sie bekam Angst. Leise schlich sie durch den schmalen Flur bis zur Wohnzimmertür. Alles war still. Erst als sie im Zimmer stand, erkannte sie, was anders war. Tannenduft stieg ihr in die Nase. Neugierig geworden schaltete sie das Licht ein, aber anstelle der Deckenlampe leuchtete im Erker ein Tannenbaum in den schönsten Farben auf. Gleichzeitig ertönte das Lied: Ich find dich scheiße von Tic Tac Toe.
    Trixi wich erschrocken zurück.
    Bestürzt beäugte sie die vielen, kleinen Figuren, in den Zweigen. Nichts daran war anstößig, nichts, was nicht an einen Weihnachtsbaum gehörte. Auch kein Hinweis, kein Brief, keine Botschaft.
    Sie nahm die CD aus der Musikanlage und warf sie weg. Dabei fiel ihr nur eine Erklärung ein: Roland Berkes war ein Psychopath – eine gespaltene Persönlichkeit. Die eine Hälfte wusste nicht, was die andere tat. Während seine gute Seite den Baum schmückte, legte die schlechte Seite dieses scheußliche Lied auf.
    Eine Weile betrachtete sie den Tannenbaum, der mit einer Präzision geschmückt worden war, die große Geduld erforderte. Ihm war nichts zu viel.
    Was tun? Wenn sie alles so ließ, kam das einem Einverständnis gleich. Aber sollte sie jetzt, nach einem arbeitsreichen Tag einen großen, mit bunten Kugeln, elektrischen Lichtern und glitzernden Sternen überhäuften Baum entsorgen? Dazu hatte sie keine Lust. Weihnachten war nicht mehr weit. Auch wenn die Herkunft des Baumes zweifelhaft war; seine Wirkung verfehlte er nicht. s ollte er stehen bleiben.
    In der Nacht regnete es. Die Temperaturen sanken bis unter null Grad, der Regen fror zu Glatteis.
    Als Trixi am nächsten Morgen mit ihrem Fahrrad das Haus verlassen wollte, überlegte sie es sich anders. Es war spiegelglatt. Also machte sie sich zu Fuß auf den Weg. Die sonst stark befahrene Kaiserstraße war fast leer. Ein Auto hielt direkt neben ihr an. Es war der Lieferwagen von Roland Berkes.
    »Steig ein. Ich fahre dich zur Arbeit.« Er öffnete die Beifahrertür, als erwartete er keinen Widerspruch von Trixi.
    Trixi schüttelte den Kopf und schlitterte weiter.
    »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich dich vom Eis kratzen muss.«
    Stur rutschte sie weiter.
    Roland folgte ihr im Schritttempo.
    Trotz ihrer Vorsicht rutschte sie aus und landete unsanft auf dem Boden.
    Roland hielt sofort an, stieg aus und half ihr aufzustehen.
    »Wirst du jetzt einsteigen? Oder willst du dir alle Knochen brechen?«
    Gegen ihren Willen musste Trixi einsehen, dass er recht hatte.
    Während der Fahrt sprachen beide kein Wort. Was hatte das wieder zu bedeuten? Sonst nutzte er doch jede Gelegenheit.
    Am Salon angekommen, stieg sie aus und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Heute habe ich keine Lieferung für euch. Leider muss ich sofort weiter.«
    Sie konnte sein Verhalten nicht einordnen. Bisher hatte er jedes Mal nachgefragt, wie seine Einfälle bei ihr angekommen waren. Nur dieses Mal nicht. Mit Sicherheit würde er noch darauf zu sprechen kommen. Es wäre ja sinnlos, sich diese Arbeit zu machen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.
    Aber an diesem Tag hörte und sah sie nichts mehr von ihm. Er ließ sie tatsächlich in Ruhe.

2
    Nach Feierabend waren die Wege gefahrlos zu begehen, obwohl es immer noch eisig kalt war. Auf dem Heimweg freute sich Trixi auf einen lauschigen Abend vor dem geschmückten Tannenbaum. Über seine zweifelhafte Herkunft dachte sie lieber nicht nach. Sie wollte einfach nur ungestört die weihnachtliche Atmosphäre genießen. Kaum hatte sie
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