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Angst in der 9a

Titel: Angst in der 9a
Autoren: Stefan Wolf
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liegen.
    Plötzlich schien sie sich zu straffen. Ihr blasses Gesicht versuchte ein Lächeln.
    »Aber das sind meine Sorgen. Tut mir Leid, dass ich euch damit belaste. Was habt ihr denn nun auf dem Herzen?«
    Ihr muss irgendwie geholfen werden, dachte Tarzan noch, bevor er sagte: »Es geht um eine Ungerechtigkeit.«
    Sie sah ihn aufmerksam an. »Eine ungerechte Bewertung?«
    Er lächelte. Ihn freute, dass sie die Sache so schnell erriet. »Ja«, sagte er. »Die Zensur ist eine glatte Gemeinheit.« »Aber es ist nicht deine Note, nicht wahr? Du sprachst von zwei anderen Klassenkameraden.«
    »Es sind unsere Freunde: Gaby Glockner und Karl Vierstein.«
    »Die kenne ich nicht persönlich, aber ich weiß, wer das ist.«
    »Karl hat in Englisch eine Zwei geschrieben«, berichtete Tarzan, »und ist damit zufrieden. Seine Arbeit gab er mit, damit Sie einen Vergleich haben. Ich habe auch eine Zwei und die Arbeit ist hier. Gaby, die in Englisch bisher immerauf einer Eins stand, kriegt plötzlich kein Bein mehr auf den Boden. Jetzt hat ihr Frau Dr. Raul eine Vier reingehauen.« »Das ist immerhin noch ausreichend.«
    »Aber ungerecht. Wir wollten Sie bitten, die Arbeiten zu vergleichen und uns zu sagen, wie Sie benotet hätten.« Für einen Moment sah sie nachdenklich zu Boden. Tarzan begriff plötzlich, dass er die Frau in einen Konflikt brachte. Immerhin war die Raul ihre Kollegin.
    Sie hob den Kopf. »Gut. Zeig mal her!«
    Er stand auf und gab ihr die Hefte.
    »Und deins, Willi?«, fragte sie.
    »Ich hab’s hier. Aber es ist eine Fünf.«
    Sie seufzte, als hätte sie nichts anderes erwartet. Dann schlug sie Karls Heft auf und begann zu lesen.
    Klößchen knetete an seinen Fingern herum und betrachtete das Teppichmuster.
    Tarzan sah zum Fenster hinaus.
    Hinten bei den Schrebergärten verlief ein Sandweg. Ein Wagen fuhr in Richtung Innenstadt und schleppte eine Staubfahne hinter sich. Aus einer Laube rannte ein Mann heraus. Drohend schüttelte er die Fäuste. Aber was er rief, hörte der Fahrer des Wagens bestimmt nicht mehr. Er war schon zu weit entfernt.
    Mit einem raschen Blick aus dem Augenwinkel sah Tarzan, wie die Mübo seine englische Nacherzählung las, jetzt das Heft auf den Tisch legte und dann zu Gabys Arbeit griff.
    Als sie fertig war, stapelte sie die drei Hefte aufeinander.
    »Wenn ich euch sage, dass auch Lehrer nur Menschen sind, erzähle ich nichts Neues. In diesem Fall scheint sich die Kollegin Raul tatsächlich geirrt zu haben. Ohne Zweifel ist Gaby Glockners Arbeit mit Abstand die beste – als Nacherzählung geradezu brillant. Die beiden Fehlerchen sind offensichtlich Schusselei. Die würde ich gar nicht zählen. Auch die Verhältnismäßigkeit der Benotung erscheint mir unrichtig.So Leid es mir tut, Tarzan: Deine Arbeit hätte ich nurmit drei bewertet, die von Karl Vierstein ein bisschen besser. Gaby aber hätte ich eine glatte Eins gegeben.«
    Strahlend lachte Tarzan sie an. »Phantastisch! Darauf haben wir gehofft. So ist es gerecht. Gaby hat wegen der Vier furchtbar geweint. Kein Lehrer, finde ich, hat das Recht, einen Schüler derart um das Ergebnis seiner Arbeit zu betrügen.«
    »Betrügen wollte die Kollegin Raul bestimmt nicht. Sie hat sich eben mal geirrt. Das kann jedem passieren. Lass mir die Hefte hier. Ich werde mit ihr sprechen. Okay?«
    »Natürlich!« Er sprang auf. »Auch in Gabys Namen möchte ich mich schon jetzt ganz herzlich bedanken.«

3. Wer hat Tarzans Rennrad gestohlen?
    Klößchen blieb, weil er noch Nachhilfe hatte. Aber Tarzan radelte durch die Mittagshitze zur Innenstadt.
    Er dachte nach. Was lief da gegen die Mübo? In der 9a ging die Angst um. Bettger und Drechsel machten Terror und zwangen die übrigen Schüler, sich gegen die Mübo rüpelhaft aufzuführen. Das schuf ein Klima der Angst. Und der Terror setzte sich im Privatleben fort.
    Konnten zwei Schüler eine Lehrerin so sehr hassen? Was man bei ihr zu Hause angestellt hatte, das war schwere Sachbeschädigung – ein kriminelles Delikt.
    Obwohl die Tatsachen feststehen, dachte Tarzan, ergibt das alles keinen Sinn. Vielmehr: Uns bleibt der Sinn verborgen. Aber wir werden schon rauskriegen, wer da an den Fäden zieht und warum.
    Dr. Kempfers Zahnarzt-Praxis lag am Rathausplatz, dem betriebsamen Mittelpunkt der Stadt. Zwei Hauptstraßen kreuzten sich hier. Ein Gewirr von Ampeln blinkte. Auf dem großen Parkplatz drängten sich an die 200 Fahrzeuge. Ehrwürdige Häuser, dicht bei dicht, umstanden den großflächigen, fast
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