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Angst in der 9a

Titel: Angst in der 9a
Autoren: Stefan Wolf
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der Macht. Und daran, anderen Menschen grausige Angst einzujagen.«
    »Wie interessant«, sagte eine giftige Stimme hinter ihm. Ohne sich umzudrehen, erwiderte Tarzan: »Ich freue mich, dass du meiner Meinung bist, Drechsel.«
    »Interessant, mal zu hören, was hintenherum über einen geredet wird, du dämlicher Angeber.«
    Jetzt drehte Tarzan sich um. »Hintenherum? Ich sage dir das gern in dein blödes Gesicht. Sooft du willst. Wenn ich Zeit dafür habe, gebe ich’s dir sogar schriftlich. Mit ner Durchschrift für Bettger. Damit auch der mal was zum Nachdenken hat.«
    Drechsel war so groß wie Tarzan, aber bereits 15 und schon zweimal sitzen geblieben, einmal in der Volksschule, einmal in der 8. Klasse. Er hatte ein grobes Gesicht, das zu einem viel älteren Jungen gepasst hätte.Er galt als Schlägertyp, der seine Siege aber nur mit Hinterhältigkeit errang. Meistens schlug er als Erster zu – den Gegner blitzschnell in den Magen. Oder er trat. Außerdem hätte er ständig einen Schlagring in der Tasche, hieß es. Gezeigt hatte er den allerdings noch keinem. Aus der Nähe roch er unangenehm nach Zigaretten. Dass er und Bettger während der Pausen auf dem Klo heimlich rauchten, war bekannt.
    Großspurig stemmte Drechsel die schweren Fäuste in die Hüften.
    »Du bist wohl scharf drauf, dass ich dir mal die Schnauze poliere, du dämlicher Angeber.«
    »Wie bitte? Nur zu! Dann poliere mal – wenn du unbedingt Streit willst! Hier bin ich, worauf wartest du. Aber wir können auch rausgehen. In die Turnhalle, in den Kohlenkeller oder auf den Rasen. Der wäre am günstigsten für dich. Auf weichem Rasen ist die Gefahr, dass du dir eine Gehirnerschütterung holst, am geringsten.«
    Klößchen unterdrückte ein Prusten. Es klang, als ersticke er.
    Drechsel starrte ihn böse an, lenkte aber den Blick auf Tarzan zurück.
    »Auf dein Angebot, Carsten, komme ich zurück. Schneller, als du denkst. Lass dir ein Bett im Krankenhaus reservieren – und einen Termin beim Notarzt.«
     
    Tarzan musterte ihn verächtlich von oben bis unten. »Weißt du eigentlich, dass du stinkst, Drechsel? Wie eine billige Kneipe. Was hast du hier eigentlich zu suchen? Das ist die 9b, nicht die 9a.Du verpestest unsere Luft. Mach, dass du rauskommst.«
    »Armer Irrer!«, sagte Drechsel durch seine gelben Zähne. Betont langsam ging er hinaus.
    Klößchen schloss die Tür.
    Gaby atmete auf. »Ich dachte, gleich geht die Keilerei los.«
    »Der hat Schiss vor dir«, sagte Karl. »Aber er ist rachsüchtig. Der kriegt es fertig und fällt dich hinterrücks an. Oder Bettger hilft ihm. Auch damit musst du rechnen.«
    Tarzan lächelte. Mehr war ihm die Sache nicht wert.
    »Was die 9a betrifft«, fuhr Karl fort, »fällt mir eins auf: Die Klasse besteht fast nur aus Externen. Komisch, was? Ob die Internen doch die besseren Menschen sind?«
    »Ich protestiere!«, meinte Gaby lachend.
    Sie verabredeten, sich nachmittags um halb vier bei ihr zu treffen.
    Die letzte Stunde – Deutsch – verging rasch.
    Nach der Schule fuhren Karl und Gaby mit ihren Rädern nach Hause.
    Tarzan und Klößchen gingen zum Hauptgebäude hinüber, wo sie im zweiten Stock ihre Bude hatten. Die 12- bis 14-jährigen Jungen wohnten dort und jede Bude hatte einen Namen.
    Im ADLERNEST warf Klößchen seine Mappe aufs Bett. Behände wie sonst selten stieg er auf einen Stuhl und holte einen großen Karton vom Schrank.
    Er war voll gestapelt mit Schokoladentafeln unterschiedlicher Geschmacksrichtungen. Ohne diesen Vorrat, behauptete Klößchen, könne er nicht leben.
    »In zehn Minuten gibt es Essen«, sagte Tarzan mahnend.
    »Na und? In zehn Minuten schaffe ich zwei Tafeln.«
    »Mir dreht sich der Magen um. So was als Vorspeise zu Gulasch! Jedenfalls roch es unten im Flur nach Gulasch.«
    »Was willst du eigentlich? Ich finde, Schokolade passt zu allem. Zu sauren Heringen, eingemachten Gurken, Hustensaft, Kalbshirn, Spinat und so weiter.« Er lachte. »Hustensaft! Ist das nicht ne Idee? Muss ich unbedingt meinem Vater sagen. Schokolade gefüllt mit Hustensaft – und alle kleinen Kinder sind ganz wild nach Erkältungen.«
    »Eins muss man dir lassen«, meinte Tarzan ironisch, »du bist ein wirklicher Feinschmecker. Eines Tages wirst du ein Kochbuch herausgeben, das auch die gesündesten Mägen zur Strecke bringt.«
    Tarzan hatte sich nicht getäuscht. Im großen Speisesaal standen dampfende Schüsseln mit Gulasch auf den Tischen. Dazu gab es Spagetti; und Klößchen schaufelte in
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