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Angst in der 9a

Titel: Angst in der 9a
Autoren: Stefan Wolf
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sträuben sich mir die Haare. Nur zwei winzige Flüchtigkeitsfehler – und das auf sechs Seiten. Aber – hier steht’s mit roter Tinte – der Ausdruck sei ungenügend, der Inhalt ungenau, der Stil entspreche nicht den Anforderungen.«
    Tarzan las die erste Seite. »Hm. Ich würde sagen, er ist um drei Klassen besser als meiner. Und mir gibt sie eine Zwei. Lies du mal, Karl.«
    Karl Vierstein, genannt Computer, war lang aufgeschossen, lattendünn und erheblich kurzsichtig. Deshalb setzte er seine Nickelbrille nur ab, wenn die Gläser unbedingt mal geputzt werden mussten. Er hatte erstaunlich lange Arme, und was er auch anhatte – immer sah es aus, als wären ihm Hose, Jacke und Pullover viel zu weit.
    Computer wurde er genannt, weil er ein phantastisches Gedächtnis besaß. Vermutlich hatte er das von seinem Vater geerbt. Der war Professor für Mathematik und Physik an der hiesigen Universität. Das enorme Erinnerungsvermögen befähigte Karl zu erstaunlichen Leistungen. Er wusste einfach alles, vergaß nichts und führte sich gern als wandelndes Lexikon auf, womit er seiner Umwelt nicht selten auf die Nerven fiel. Ansonsten war er ein prima Kerl und verlässlicher Freund.
    »Eine haarsträubende Ungerechtigkeit«, meinte er und gab Pfote das Heft zurück.
    Sie blies gegen ihren Pony und blickte dann traurig auf die Bank.
    »Aber was soll ich nun machen?«
    »Geh zum Direx und beschwer dich«, schlug Karl vor. »Das getraue ich mir nicht.«
    »Aber es geht doch um deine Zensur.«
    »Dann habe ich die Raul so gegen mich, dass ich am besten gleich zu Hause bleibe.«
    »Du hast sie auch jetzt gegen dich«, wandte Tarzan ein, »obwohl es dafür keinen Grund gibt. Hast ihr ja schließlich nichts getan. Und dass die Raul eine Vogelscheuche ist, dafür kannst du ja nichts. Hübsche Mädchen sind ihr ein Dorn im Auge und du als das hübscheste... äh... ich meine, zu Jungs ist die Raul viel netter.«
    Verschwunden war die Trauer aus Gabys Gesicht. Mit blanken Augen sah sie ihn an.
    Verdammt, dachte er. Wieder mal habe ich mich vergaloppiert. Beinahe hätte ich gesagt, dass sie das hübscheste Mädchen ist. Und jetzt sieht sie mich an, als hätte ich ihr einen Strauß mit 25 roten Rosen überreicht. Peinlich! Bestimmt denkt sie, dass ich sie heimlich anhimmele, mich aber nicht getraue, was zu sagen. Stimmt ja auch...
    Er fühlte, wie er rot wurde.
    Karl schmunzelte.
    Klößchen, der unentwegt Schokolade futterte, breitete ein Grinsen über sein Mondgesicht.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Tarzan rasch. »Klößchen hat doch heute Nachmittag bei der Mübo Nachhilfeunterricht. Ihm geben wir deine Arbeit mit, Gaby. Und meine und Karls – zum Vergleich. Die Mübo ist Spitze. Klößchen bittet sie, sich diese Arbeiten anzusehen; und dann werden wir ja hören, ob die Vier gerechtfertigt ist.«
    »Eine Superidee!«, lobte Karl.
    Gabys Augen leuchteten. »Das wäre prima. Die Mübo soll absolut gerecht sein. Was sie sagt, gilt. Wenn sie die Vier bestätigt, dann habe ich eben versagt. Aber... Na, wir werden sehen. Willi, machst du das?«
     
    Willi Sauerlich, der auf den Spitznamen Klößchen hörte, hatte sein Grinsen verloren.
    »Jaaa«, meinte er gedehnt, »aber... ich meine, bei so ner Sache gehen mir die richtigen Worte nicht von der Zunge. Versuchen könnte ich’s. Trotzdem wäre es besser«, wandte er sich an Tarzan, »wenn du mitkommst,ja? Und das alles so klar und deutlich erklärst, damit sie ein bisschen abgelenkt wird von meiner Fünf.«
    Tarzan lachte. »Gut, ich komme mit.«
    Äußerlich und zum Teil auch im Wesen verkörperte Klößchen das Gegenteil von Tarzan, war eher klein und sehr rundlich, was ihm den Spitz- und Spottnamen eingebracht hatte. Von Sportlichkeit hielt er nicht viel. Er ging alles gemütlich an, war aber pfiffig und schlau. Zu seinen schlimmsten Fehlern gehörte, dass er Schokolade kiloweise vertilgte. Ein Tag ohne Schokolade war undenkbar für ihn. Vielleicht lag das daran, dass sein Vater einer der bedeutendsten Schokoladenfabrikanten war.
    Gaby und Karl wohnten bei ihren Eltern in der Stadt – die etwa 20 Trablaufminuten von der Schule entfernt war. Aber Klößchen lebte im Internat, obwohl er nicht von weither kam, sondern ebenfalls aus der Stadt, wo seine Eltern eine herrliche Villa mit großem Park besaßen. Sicherlich – dort war es toll. Aber Klößchen zog das Internatsleben vor. Zu Hause hatte er sich meistens gelangweilt. Im Internat dagegen war immer was los. Besonders wenn man
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