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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris
Autoren: A Golon
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begehrten Werke herauszugeben und zu verkaufen, denn ihre Verbreitung brachte »dickes Geld« ein, wie die Händler sagten. Doch von den Originalmanuskripten, die unter den Freunden von Hand zu Hand weitergegeben wurden, gab es nie genug Exemplare, daher war es wichtig, zahlreiche Kopisten zur Verfügung zu haben.
    Der Magister drückte die Flasche an sein Herz und bedachte das Werk mit einem Augenzwinkern. »Eine kleine Mademoiselle hat das geschrieben«, meinte er und musste lachen.
    Er verstaute die Flasche sicher unter seinem zerlumpten Mantel. Angélique war froh darüber, dass sie es nicht weit hatten, denn es wurde immer kälter. Doch auf dem Rückweg begann der Magister mit einem Mal zu trippeln wie ein alter Mann. Er befand sich in der Stimmung für Vertraulichkeiten.
    »Was mein Leben ruiniert hat«, erklärte er, »ist, dass man mich für einen Schatzsucher gehalten hat, und das ist eine sehr gefährliche und verfolgte Spezies. Und dabei habe nicht ich sie zu dem Grab geführt. Ich habe ihnen nur gesagt, wer da in diesem Grab lag. Ich bin nämlich ein Gelehrter der historischen Wissenschaften, und deswegen hatten sie mich angeheuert.«

    Mitten auf der verlassenen Straße blieb er stehen und musterte den Boden.
    »Bück dich«, verlangte er.
     
    Er nötigte Angélique, sich vorzubeugen, und wies mit einer weit ausholenden Geste auf die schlammige Straße, in deren Mitte ein wenig Wasser schwach glitzerte.
    »Und da war das offene Grab«, intonierte er. »Und ich erkannte das Gerippe meines Königs … mit seinen Waffen, seinem Speer, seinem Schwert, dem Kopf seines Lieblingspferds mit einem bronzenen Halseisen und… halte dich fest… die Kristallkugel, durch die der göttliche Monarch seine Heilergabe ausübte und seine hellseherischen Visionen hatte. Und … und da, hör mir gut zu, da lagen auch dreihundert Goldmünzen … dreihundert und keine weniger!«
    Er legte eine kurze Pause ein und fuhr dann in träumerischem Ton mit seinen Erinnerungen fort.
    »Einer der Ausgräber hat zwei Goldmünzen gestohlen …«
    Als sie weitergingen, nötigte er Angélique, dicht an der Mauer entlangzugehen, als passierten sie tatsächlich ein offenes Grab und müssten achtgeben, um nicht hineinzufallen. Jetzt fand sie wirklich, dass er geistesgestört war.
    »Ich habe begriffen, was mich erwartete«, fuhr er fort, »und als sie ein Stück weiter waren, habe ich die Flucht ergriffen.
    In diesem Landstrich in den Ardennen wachsen riesige Bäume, die sehr dick und dicht belaubt sind. Ich habe mich in einer der Baumkronen versteckt, in den höchsten Ästen, dort, wo sogar die Vögel keine Nester mehr bauen. Sie haben mich vergeblich gesucht, sogar Hunde auf mich gehetzt … Sie haben allen Grabarbeitern die Augen ausgestochen …«

    »Um zu erfahren, wer die Goldmünzen gestohlen hatte?«
    »Nein! Damit niemand den Weg zum Grab wiederfindet.«
    Sie waren wieder vor ihrem Schlupfwinkel angekommen, und Angélique, die von den Wächtern begrüßt wurde, fühlte sich erleichtert.
    »Sag mir, was du von meiner Geschichte hältst«, verlangte der Magister energisch.
    »Ich finde die Geschichte ziemlich schrecklich«, antwortete sie, obwohl sie lieber geschwiegen hätte.
    Doch mit einem Mal verlangte es sie danach, zu sprechen.
    »Alle wahren Geschichten sind ziemlich schrecklich«, hielt er dagegen.
     
    Im großen Saal lief Nicolas auf und ab wie ein Raubtier im Käfig.
    »Wo seid ihr beiden gewesen?«
    »Nur um die Ecke! Aber ich bin lange genug mit ihr herumgelaufen, um festzustellen, ob sie davonlaufen würde … Sie hat es nicht getan. Du kannst beruhigt sein, Calembredaine, sie wird nicht fliehen. Und wenn du etwa gefürchtet hattest, sie könnte stumm geworden sein, ha! Keine Sorge … Sie kann schon noch Fragen stellen, wenn etwas ihre Neugierde erweckt. Das ist bei den Frauen ein gutes Zeichen. Und vergiss nicht, dass ich ein durstiger Gelehrter bin.«
    »Du sollst eine schöne Flasche Wein bekommen«, versprach ihm der Herr der Tour de Nesle.
     
    Angélique empfand es als Erleichterung, dass ihr die Außenwelt keine Angst mehr einflößte.
    Während sie sich in den folgenden Tagen in Begleitung
von Pied-Léger, Barcarole oder Cul-de-Bois durch die Pariser Unterwelt bewegte, entdeckte Angélique nach und nach, welches Netz von Schmutz und Erpressung ihr alter Spielgefährte aufgebaut hatte.
    »Du bist schlauer, als ich dachte«, meinte sie eines Abends zu Nicolas, »und hast allerhand gute Ideen in deinem
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