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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris
Autoren: A Golon
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naiver Spaziergänger, die sich ihre Geldbeutel so leicht abschneiden ließen, dass echte Künstler wie Jactance es fast überdrüssig wurden, sie zu bestehlen.
    Der Kampf um den Pont-Neuf war furchtbar gewesen und hatte mehrere Monate gedauert. Calembredaine gewann ihn, weil seine Leute bereits die Gegend außen herum
besetzt hielten. Auf alten, ungenutzten Plattformen oder versteckt in Bögen oder hinter Brückenpfeilern postierte er seine Bettler, die zu schlafen schienen, aber in Wahrheit aufmerksame Wachposten waren. Seine Strategie wurde belohnt, er siegte. Die Unterwelt der Hauptstadt wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Pont-Neuf Calembredaine gehörte.
     
    Dieser Pont-Neuf war nicht eine Brücke wie alle anderen und würde es niemals sein, denn als Heinrich IV. den Bau befahl, hatte er sich eine Brücke gewünscht, die es gestattete, von einem Seine-Ufer auf das andere zu gelangen, ohne die Île de la Cité überqueren zu müssen.
    Daher hatte er untersagt, Häuser darauf erbauen zu lassen. Dagegen hatte man über jedem Pfeiler halbrunde Ausbuchtungen errichtet, welche Platz für die Läden und Stände von Händlern und Gauklern boten. Und auf beiden Seiten der Fahrbahn gab es mit Stein gepflasterte Bürgersteige, damit die Fußgänger den rasch vorbeifahrenden Kutschen oder Karren ausweichen konnten. Aber im täglichen Leben hatte sich der Pont-Neuf nicht nur zu einem Durchgangsportal, sondern mehr noch zu einem Ort der Begegnung entwickelt. Dort trafen sich die beiden Flussufer mit dem Besten und Vielfältigsten, das sie aufzuweisen hatten.
     
    In der Tour de Nesle hatte sich Angélique, die sich langweilte, wenn Nicolas zu seinen kriminellen Abenteuern auszog, angewöhnt, in den großen Saal hinunterzugehen, der im Fuß des Turms lag.
     
    Dort versammelten sich Calembredaines Gefolgsleute und die Horden zerlumpter Menschen, die kamen, um dem
Herrscher der Gaunerzunft ihre Aufwartung zu machen. Wie jeden Abend drängte sich dieses stinkende, laute Publikum unter Kindergeplärr, Rülpsern und Beschimpfungen, die unter den gewölbten Decken widerhallten, dem Klirren von Zinnbechern und dem unerträglichen Gestank nach alten Lumpen und Wein im großen Saal.
    Die Versammlung bot eine Auswahl der Besten, die man unter den Truppen des illustren Haderlumpen fand. Calembredaine wollte, dass es in seiner Burg immer angezapfte Fässer gab und Fleisch am Spieß steckte. Solche Freigebigkeit setzte den stärksten Mann schachmatt.
    Was konnte man, wenn es regnete und stürmte, wenn die Straße verlassen war und der Aristokrat das Theater und der Bürger die Taverne verschmähte, als armer Gauner Besseres tun, als zu Calembredaine zu gehen und sich »den Wanst vollzuschlagen und einen auf die Lampe zu gießen«?
     
    Cul-de-Bois saß mit der Arroganz des Vertrauensmanns und der düsteren Miene eines verkannten Philosophen auf dem Tisch. Barcarole, sein Kumpan, sprang von einem zum anderen und trieb die Kartenspieler in den Wahnsinn. Mort-aux-Rats verkaufte sein Wildbret an kleine, hungrige alte Vetteln, Thibault-le-Vielleur drehte die Kurbel seiner Drehleier und warf durch das Fenster in der Krempe seines Strohhutes spöttische Blicke umher, während Linot, sein kleiner Gehilfe, ein Knabe mit Engelsaugen, die Zimbel schlug. Mutter Hurlurette und Vater Hurlurot begannen zu tanzen, und die zuckenden Flammen des Kaminfeuers warfen ihre grotesken, plumpen Schatten bis an die Decke. Dieses Bettlerpaar besaß, wie Barcarole zu erklären pflegte, zusammen nur ein Auge und drei Zähne. Vater Hurlurot war blind und kratzte auf einer Art Kasten herum, über den zwei Saiten gespannt waren und den er
seine »Geige« nannte. Seine einäugige, dicke Frau, deren gewaltiger Haarschopf wie graues Werg aussah und unter einem schmutzigen, zu einem Turban geschlungenen Tuch hervorquoll, klapperte mit Kastagnetten und bewegte dazu ihre dicken, aufgequollenen Beine, die in mehrere Schichten Strümpfe eingepackt waren.
    Barcarole sagte immer, sie sei bestimmt einmal Spanierin gewesen … früher einmal. Davon waren nur noch die Kastagnetten übrig geblieben.
     
    Zu Calembredaines engerem Gefolge gehörten auch Pied-Léger, der kurzatmige ehemaliger Läufer, Tabelot-le-Bossu, Jactance-le-Coupe-Bourse, Prudent, ein sehr weinerlicher und zaghafter Dieb, was ihn allerdings nicht daran hinderte, bei allen Einbrüchen mit dabei zu sein, und Beau-Garçon, der ein »barbillon«, also ein Zuhälter, war und, wenn er sich wie ein Fürst
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