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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris
Autoren: A Golon
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wir«, erklärte der Magister schließlich in zufriedenem Ton. »Schau! Ist das nicht ein schönes Haus? Und heute Abend feiert man dort ein Fest.«
    Angélique sah sich um. In der Tat, sie standen vor einem schönen Stadtpalais, in dem sich viele Menschen bewegten. Man sah Silhouetten an den Fenstern vorbeihuschen und Diener, die Fackeln trugen.
    Das Haus war zwar nicht neu erbaut, aber es war mit Sicherheit eines der schönsten und einnehmendsten von
Paris, denn es vereinte alle Neuheiten einer Architektur, die es darauf anlegte, ansprechend zu sein und die althergebrachte Schwere abzulegen, die ihr in den vergangenen Jahrhunderten eine Notwendigkeit war, um ein Bauwerk auch verteidigen zu können.
    »Setz dich«, forderte er sie auf.
    Er selbst nahm auf der anderen Seite der Gasse auf dem blanken Boden Platz und lehnte sich an ein Mäuerchen.
     
    Angélique gehorchte nicht gleich. Es war ihm gelungen, sie zu überraschen. Sie fühlte ihre Neugier erwachen und entschied sich, ihr Schweigen aufzugeben und eine Frage zu stellen.
    »In welchem Viertel befinden wir uns?«
    »Hi, hi, hi …« Der Alte hörte gar nicht wieder auf zu kichern, und man wusste nicht, ob der Grund die Freude darüber war, dass er ihr einen Satz entlockt hatte, oder ob er lachte, weil die Frage so dumm gewesen war.
    »In welchem Viertel? Aber schau dich doch ein wenig um … Mach mal die Augen auf!«
    Angélique gab sich wirklich Mühe; nicht, um die Augen aufzumachen, die sie bereits weit aufgerissen hatte, sondern um ihren Blick zu zwingen, das aufzunehmen, was sie umgab, und wirklich zu erfassen, was zu sehen sie sich weigerte. Zunächst stellte sie fest, dass ein Zwielicht herrschte, das zur Hälfte den Straßenlaternen in diesem wohlhabenden Viertel geschuldet war, und zur Hälfte dem hellen Mondschein, der durch die Wolken fiel. Sie stieß einen überraschten Ausruf aus.
    Überdeutlich und nicht weit entfernt, erblickte sie die unverkennbare Silhouette der Tour de Nesle.
    »Aber ja!« Der Magister lachte spöttisch. »Wir haben betuchte Nachbarn. Und die Reichen leben in der Nachbarschaft eines der größten Höfe der Wunder von Paris. Nur
haben sie das noch nicht begriffen … Sie lieben diese Ecke, und wir ebenfalls. Bei ihnen liegt es daran, dass die Abtei Saint-Germain-des-Prés nicht weit ist, und wir mögen sie wegen des Markts von Saint Germain und des Pont-Neuf. Sie lassen sich schöne Häuser bauen, und wir bereiten die ›Ernte‹ vor. Setz dich doch endlich. Jetzt warten wir.«
    Sie ließ sich zu Boden sinken und kauerte sich neben ihm zusammen. Nach und nach wurde sie sich der Kälte und ihrer ungewöhnlichen Lage bewusst.
     
    »Das ist das Hôtel de Guénégaud«, erklärte der Alte. »Das schönste Stadthaus von Paris. Aber es war nicht richtig, das Hôtel de Nevers abzureißen. Glaube mir, es hat eine Zeit gegeben, da habe ich dort gestrahlt wie ein Stern. Was in diesen Salons geschah, konnte es mit dem blauen Zimmer der schönen Arthémise aufnehmen. Einen Ort, an dem große Geister brilliert haben, sollte man nie vollständig zerstören. Aber diese Leute waren mit der Königsfamilie verwandt und glaubten, sich alles erlauben zu können …«
    Angélique fror, aber sie fühlte sich fast wider Willen fasziniert von dem, worauf seine Worte anspielten, von den erleuchteten Fenstern, hinter denen man Bewegung ahnte, und dem Luxus – eine andere Welt.
    Ein Schatten huschte durch den gegenüberliegenden Garten. Rasch kam eine geheimnisvolle, schwarz gekleidete Gestalt auf sie zu. Der Mann musste ein Priester sein, da er keine Perücke trug. Er hockte sich neben den Magister und sprach ihn in fließendem Latein an. Anschließend übergab er ihm ein dickes Bündel Schriftrollen sowie eine Flasche Wein, und dann verschwand der Fremde wieder, bei dem es sich um den Hausgeistlichen des Anwesens handeln musste.
    »Nimm das«, sagte der Magister und reichte Angélique die Papiere, »und hilf mir beim Aufstehen.«

    Der Geistliche musste ihm Kopien von Manuskripten übergeben haben.
    Sicherlich war das die Bestellung eines der Poeten oder Romanschreiber, die mondäne und schöngeistige Treffpunkte wie das Hôtel Guénégaud frequentierten und immer auf der Suche nach einem Mäzen, einem Gönner waren. Zu Beginn trug man seine Werke einem Kreis aufmerksamer Freunde vor, ehe man es wagen konnte, sich ein »Privileg« zu besorgen, das heißt, eine Vereinbarung mit einem gut beleumdeten Buchhändler, der begierig war, diese sehr
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