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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris
Autoren: A Golon
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sie lange an und streckte ihr dann die Hand entgegen.
    »Dann sollten wir uns versöhnen. Komm.«
    Aber sie rührte sich nicht.
    »Der Hund ist hinter uns beiden her. Was haben wir davon, wenn wir uns streiten?«
    Er hielt ihr weiter die Hand hin.
    »Deine Augen sind hart und kalt wie Smaragde geworden. Jetzt schimmern sie nicht mehr sonnig wie ein kleiner Fluss unter dem Laubdach, der zu sagen scheint: Liebe mich, küss mich …«
    »Das alles sagt Euch der Fluss?«
    »Das sagen deine Augen, wenn ich nicht gerade dein Feind bin. Komm her!«
     
    Mit einem Mal gab sie nach und kauerte sich neben ihn. Sofort legte er den Arm um ihre Schultern.
    »Du zitterst ja und wirkst so gar nicht mehr wie die selbstgewisse Kneipenwirtin. Etwas hat dir Angst eingejagt und tut dir weh. Der Hund? Der Polizist?«
    »Der Hund, der Polizist und auch Ihr, Monsieur Schmutzpoet.«
    »O düstere Dreieinigkeit von Paris!«
    »Da Ihr anscheinend über alles informiert seid, wisst Ihr denn auch, was ich getan habe, ehe ich mit Calembredaine zusammenkam?«
    Ärgerlich verzog er den Mund. »Nein. Seit ich dich wiedergefunden habe, bin ich nach und nach darauf gekommen, wie du dich durchgeschlagen und wie du diesen Bratkoch um den Finger gewickelt hast. Aber was vor Calembredaine war … nein, da verliert sich die Spur.«
    »Das ist besser so.«

    »Mich ärgert vor allem eines. Ich glaube nämlich, dass dieser Polizist aus der Hölle über deine Vergangenheit Bescheid weiß.«
    »Ihr zieht also beide Erkundigungen ein?«
    »Wir tauschen sogar häufig unsere Erkenntnisse aus.«
    »Im Grund seid Ihr Euch sehr ähnlich.«
    »Ein wenig. Aber dennoch besteht ein großer Unterschied zwischen uns.«
    »Und der wäre?«
    »Ich kann ihn nicht töten, während er durchaus in der Lage ist, mich umbringen zu lassen. Hättest du mir heute Abend nicht die Tür geöffnet, würde ich mich dank seiner freundlichen Hilfe bereits im Châtelet befinden. Auf Meister Aubins Streckbank hätte ich inzwischen drei Zoll an Körpergröße zugelegt, und morgen in aller Frühe würde ich schon am Strick baumeln.«
    »Und was meint Ihr damit, dass Ihr ihn nicht töten könnt?«
    »Ich kann niemanden umbringen. Mir wird übel, wenn ich Blut sehe.«
    Seine angeekelte Miene brachte sie zum Lachen. Die bebende Hand des Poeten legte sich auf ihre Schulter.
    »Wenn du lachst, siehst du wie ein Täubchen aus.«
    Er beugte sich über ihr Gesicht. Sein zärtliches, spöttisches Lächeln enthüllte die dunkle Zahnlücke, die ihm der Große Matthieu mit seiner Zange gebrochen hatte, und sie verspürte den Drang, zu weinen und diesen Mann zu lieben.
    »Es ist gut«, murmelte er, »du hast keine Angst mehr. Alles rückt in weite Ferne … Draußen fällt nur noch der Schnee, und wir beide haben es hier schön warm… So schön logiere ich nicht oft. Bist du unter diesem Hausmantel nackt? Ja, ich spüre es. Nicht bewegen, meine Süße… Sag nichts mehr …«

    Seine Hand strich über ihre Haut, schob den Hausmantel weg, um dann tiefer zu gleiten. Sie erschauerte, und er lachte.
    »Sieh an, Frühlingsknospen mitten im Winter!«
    Er bemächtigte sich ihrer Lippen. Dann streckte er sich vor dem Feuer aus und zog sie sanft an sich.
    »Spitz doch die Ohren, hör mal hin,
da kommt der Bursche mit dem Schnaps.
Scherz beiseite, ich glaub, ich bin
schon spät daran, mein schöner Schatz!«
    Der Poet hatte seinen hohen Hut aufgesetzt und seinen löchrigen Mantel angezogen. In der Morgendämmerung sah man, dass dichter Schnee lag. Dick eingepackt stapfte der Branntweinverkäufer durch die weiße, stille Straße wie ein Bär.
     
    Angélique rief ihn an. Auf der Schwelle kredenzte er den beiden ein kleines Glas Branntwein.
    Als der Mann fort war, lächelten sie einander zu.
    »Wohin geht Ihr jetzt?«
    »Paris über einen neuen Skandal unterrichten. Heute Nacht hat Monsieur de Brienne seine Frau mit einem Liebhaber ertappt.«
    »Heute Nacht? Wie könnt Ihr das denn wissen?«
    »Ich weiß alles. Adieu, meine Schöne.«
     
    Sie hielt ihn am Schoß seines Mantels zurück.
    »Kommt wieder«, sagte sie.

Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel
»Angélique 05. Ombres et Lumières dans Paris«
bei Éditions du Refuge, Lausanne.
     
     
     
     
    1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Februar 2012 bei Blanvalet, einem Unter-
nehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
    Copyright © der Originalausgabe 2007 by Éditions du Refuge
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by
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