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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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einem fröhlichen Lachen kommentiert. Ich rappele mich auf und bedecke meine Blöße, so gut es geht.
    Der Mann, der bisher noch nichts gesagt hat, hat einen fast besorgten Ausdruck in den Augen. Obwohl seine Kleidung von der Reise abgenutzt und verschlissen ist, wirkt sie vornehm und teuer. Er löst den Kinnriemen seines geschlossenen Kampfhelms, zieht ihn sich vom Kopf und schüttelt seine schimmernde, blonde Mähne. Mit unbestimmtem Interesse sieht er mich weiter an. Plötzlich springt sein Hauptmann von dem ungeduldigen braunen Pferd herunter und versetzt mir einen leichten, doch unerwarteten Tritt vor die nackte Brust, sodass ich in den Dreck zurückfalle.
    Abgesehen von ihrem Anführer, der nur die Stirn runzelt, brechen die Männer wieder in Gelächter aus. Der Mann, der mich getreten hat, beugt sich zu mir herunter und schreit mich an, wobei er jedes Wort genau artikuliert, als spräche er mit einem Taubstummen oder einem Idioten.
    »Bete lieber, du Verräter, und lieg hier nicht einfach so herum! Jetzt hast du es mit vornehmen Herrschaften zu tun. Benimm dich ein bisschen würdevoller.«
    Die anderen lachen erneut, und der Mann mit den dünnen schwarzen Haaren und den kalten blauen Augen setzt seine Hänseleien fort. »Ist das etwa die Art von Zeitvertreib, die ihr Böhmen dem hohen Adel bietet?«
    Ich habe langsam genug. Nachdem ich mich auf die Füße hochgekämpft habe, vollführe ich zur Belustigung meines Publikums eine unbeholfene Verbeugung. Die Bemerkungen des Mannes auf dem Pferd aufgreifend, sage ich, so laut und deutlich wie es geht: »Vergebt mir, mein Herr. Nachdem ich unverhofft in diesem Graben aufgewacht bin, fühle ich mich etwas orientierungslos. Wenn Ihr Euren Schoßhund hier zurückpfeifen könntet …« – an dieser Stelle nicke ich in Richtung des Kerls, dessen Stiefelabdrücke noch immer auf meiner Brust haften –, »dann würde ich Euch gerne den Respekt erweisen, der einem Mitglied des englischen Adels in der Fremde zusteht.«
    Wenn meine Worte sie überrascht haben sollten, so bin ich selbst nicht minder erstaunt. Die Männer auf den Pferden sind Engländer; das scheine ich zu wissen. Ich spreche zu ihnen in der Sprache, die sie selbst benutzen. Der große Mann steigt vom Pferd, stößt meinen Plagegeist beiseite und hält mir seine behandschuhte Hand entgegen. Zögernd ergreife ich sie. Dann zieht er mich aus meinem Graben heraus und mit einem Mal stehe ich direkt vor ihm. »Percy«, weist er den anderen knurrend an. »Kleidung.«
    Der Mann, der Percy genannt wird, runzelt die Stirn und spielt mit dem verzierten Griff seines Schwerts. Unter seinem nach spanischem Stil kurz geschnittenen Mantel, der am Hals von einer goldenen Spange zusammengehalten wird, hängt es lose von seinem Gürtel herab.
    Ich staune angesichts der Dinge, die mir bekannt sind; die Art der Kleidung, der Klang der Worte – sowie alle anderen Dinge. Schwerter. Pferde. Soldaten. Handschuhe. Mit jedem neuen Gegenstand, den ich erblicke, wird das langsam wiedererwachende Lexikon in meinem Geist um einen Begriff erweitert. Wenn ich mich nur an meinen Namen erinnern könnte. Daran, wer ich bin oder was ich hier eigentlich mache.
    »Sofort, Percy«, fügt er warnend hinzu. »Ich habe deiner feigen Herablassung gegenüber den Menschen lange genug zugesehen. Offenbar haben wir es hier mit einem Engländer zu tun, und noch dazu mit einem gebildeten, wie es scheint. Offensichtlich ist ihm ein Missgeschick widerfahren, und ich denke, dass es nur billig wäre, ihn mit uns zu nehmen – falls er dies wünscht. Vermutlich willst du doch nicht, dass er mit nacktem Hintern an den Hof des Kaisers reitet? Noch dazu, wenn er auf deinem Pferd sitzt?«
    Die anderen Männer fangen an zu lachen. Widerstrebend geht Percy auf den ersten Planwagen zu. Nach ein paar Augenblicken kommt er mit Kniehosen, einem einfachen Hemd und einem langen französischen Mantel zurück und wirft mir alles zu. Unbeholfen kleide ich mich an. »Ein Wams und Strümpfe wird er vermutlich zu diesen Hosen nicht brauchen«, sagt Percy verächtlich.
    »Und jetzt, Percy«, fährt mein Wohltäter fort. »Stiefel. Wie wär’s mit denen, die du trägst?«
    »Sir Anthony …«, protestiert Percy, doch nach einem warnenden Blick zieht er sie aus und reicht sie mir mit einem kaum verhohlenen Ausdruck der Verachtung.
    »Das ist doch nicht nötig …«, setze ich an, aber der Mann tut meinen Einwand mit einer Handbewegung ab. »Percy hat unzählige Paare guter Stiefel
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