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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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in seinem Gepäck. Ihr scheint die gleiche Größe zu haben, und ich weiß, dass Percy keine Einwände hat.«
    Während ich, ohne Percy anzublicken, die Stiefel anziehe, klettert der Mann, den er Sir Anthony genannt hat, wieder auf sein Pferd. »Nun, was ist geschehen? Banditen? Wir hatten weiß Gott in den letzten Tagen einige Probleme mit abtrünnigen Landsknechten.«
    »Mein Herr, ich muss gestehen, dass ich mich nicht erinnern kann«, sage ich und komme mir sogleich schrecklich dumm vor.
    »Dann eine Frau!«, grölt der Mann und versetzt seinem Pferd einen Schlag auf den Hals, sodass es ein wenig aufschreckt. Er streichelt seine Mähne und flüstert ihm etwas ins Ohr, bis es sich wieder beruhigt hat. »Ich habe selbst genügend Weiber gekannt, die dich besoffen machen und mit deiner Börse verschwinden, während du noch vor dich hin schnarchst. Normalerweise trauen sie sich nicht, mit allem Kram davonzuziehen. Aber vielleicht gehören diese böhmischen Huren ja einer besonders wilden Sorte an, hä?«
    Die Männer brechen wieder in Gelächter aus. Sir Anthony gibt mir ein Zeichen, Percys Ross zu besteigen. »Steigt auf. Percy wird die Zügel führen. Warum kommt Ihr nicht einfach mit uns?«
    »Aber Sir, ich kenne weder Euren Namen noch weiß ich, was Euer Vorhaben ist …«, erwidere ich, während ich umständlich das Pferd besteige.
    »Ah, dieses Mal habe ich wohl meine Manieren vergessen«, sagt er, zieht seinen dicken Handschuh aus und reicht mir seine beringte Hand. »Ich bin Sir Anthony Sherley, wohlbekannt am Hofe unserer lieben Königin Elisabeth und seit einiger Zeit unterwegs in Geschäften für Schah Abbas von Persien. Und was unsere Ziel anbelangt …«
    Er macht eine ausladende Geste, und zum ersten Mal, seit ich erwacht bin, blicke ich den grasbewachsenen Abhang hinunter. Und sehe die goldene Stadt.
    »Bei den Wundmalen Jesu, Sir, habt Ihr noch nie zuvor auf einem Pferd gesessen?«, stößt Percy hervor, als wir uns durch die gewundenen Straßen Prags auf das Schloss zubewegen. Ich drohe vom Pferd zu rutschen und halte mich krampfhaft an Percys Umhang fest. Ich könnte nicht sagen, ob ich schon einmal auf einem Pferd gesessen habe oder nicht. Sir Anthony führt den Zug an; hinter uns kommt sein restliches Gefolge. »Was tut Ihr überhaupt hier in Prag?«
    Auch das weiß ich nicht, wie ich kläglich einräumen muss. Ich weiß überhaupt nichts. Nicht einmal meinen Namen, was ich ihnen aber nicht verrate. Ich möchte in Anwesenheit dieser ehrenhaften und tapferen Männer nicht als vogelfrei gelten. Und doch, was bin ich schon anderes? Meiner Identität und meines Gedächtnisses beraubt, bin ich in einem Graben erwacht. Jetzt reite ich durch die geschäftigen und verdreckten Straßen von Prag. Die zum Schloss führende, gepflasterte Straße ist schmal und von fliegenden Händlern, Verkäufern, Bauern und anderen Leuten bevölkert. Ein Soldat lehnt auf seiner Lanze und kneift ein Dienstmädchen in den Hintern; in gespielter Empörung schenkt sie ihm ein zahnlückiges Grinsen, bevor sie sich kichernd zu ihren Freundinnen gesellt. Dichter Rauch von Holzfeuern windet sich an den baufälligen Gebäuden empor und kann den Gestank der Abtritte nur mühsam überdecken. Percys Pferd scheut, als ein Schrei ertönt und uns ein wahrer Fluss aus Unrat entgegenschwappt.
    »Du meine Güte«, murmelt Percy und hält seine behandschuhte Hand vor Mund und Nase. »Das ist ja schlimmer als in London.«
    Es gibt Musik und Geschrei. Ein Mann jongliert mit brennenden Fackeln. »Kauft meine Arznei!«, ruft ein dicker Mann auf einem farbenprächtigen Wagen. »Tränke gegen eure Schmerzen! Pulver, die eine Hure wieder zur Jungfrau machen! Kräuter, die euch das Zweite Gesicht verleihen – ein offenes Fenster in die Zukunft! Für jeden Geldbeutel das Richtige!«
    Als wir an dem fahrenden Apotheker vorbeireiten, drehe ich mich um, weil ich noch mehr von seiner Aufschneiderei hören will. »Verfluchte Hölle, Mann«, faucht Percy, »setzt Euch gerade hin, sonst landen wir beide noch in der Scheiße!«
    Ich tue wie geheißen und atme weiter die stinkende Luft ein, als sich über uns plötzlich das Schloss abzeichnet. Wir trotten über die enge Straße, auf der verschiedene Händler Gewürzwein, Marionetten und tanzende kleine Hündchen mit Schleifen verkaufen. Ein paar Huren bieten sich Sir Anthony und seinem Gefolge an, heben die Röcke und öffnen die Blusen, um ihre Waren anzupreisen.
    »Bleibt auf der Straße!«, ruft Sir
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