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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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überlegt und sieht mich an. Dann stellt sie ihren rechten Fuß auf den Steigbügel und zieht sich gewandt auf den Sattel hoch. »Komm. Ich frage Jenny, ob sie mal einen Blick auf dich wirft. Sie kann sicher sagen, ob es sich lohnt, Geld für das Krankenhaus auszugeben.«
    Unbeholfen klettere ich hinter dem Mädchen auf das Pferd. »Vielen Dank, äh …«
    Sie dreht sich zu mir, um mir die Hand zu schütteln. »Karla. Mach dir keine Sorgen. Wenn wir da sind, kannst du erst mal ein Bad nehmen und was essen. Dann bitte ich Jenny, dich zu untersuchen und zu entscheiden, wie es mit dir weitergeht.«
    »Wenn wir da sind? Wo gehen wir hin?«, frage ich, als Karla das Pferd zu einem leichten Trab über die grasbewachsene Ebene antreibt. In einiger Entfernung sind die orangenen Dächer der Stadt erkennbar.
    »Nach Hause, wohin sonst?«, ruft sie, als Rose etwas schneller läuft. »Ins Prager Haus.«
    Am Rande des Parks werden Gras und Bäume unvermittelt von Asphalt, Lärm und dem summenden Netz der Stromkabel abgelöst, die kreuz und quer über die engen, gewundenen Straßen gespannt sind. Angesichts der Straßenbahnen, die etwas weiter entfernt donnernd über das Kopfsteinpflaster rasen, schrecke ich zurück. Dort, wo der Park aufhört, gibt es eine Ansammlung niedriger Holzhäuser – ein Stall? – und Karla überlässt die Zügel des Pferds einem mürrischen Jugendlichen. Dann führt sie mich in Richtung des Gedränges.
    »Ich liebe es, sonntagmorgens auszureiten«, sagt Karla, während wir uns über die geschäftige Straße manövrieren. »Manchmal fahre ich auch aufs Land raus, aber meistens reite ich Rose hier im Letná Park. Irgendwie ist das wohl meine Art, mit der Natur in Kontakt zu treten. Nach ein paar Tagen in der Stadt braucht man einfach ein bisschen frische Luft. Hier drinnen ist alles so verpestet, weißt du?«
    Ich muss zugeben, dass ich gar nicht richtig zuhöre. Denn während wir über die steinernen Treppen vom Letná Park hinunter auf die quirligen Straßen laufen, bin ich von den in Würde gealterten Häusern, dem rissigen Asphalt und dem hupenden Verkehr völlig gefesselt. Eine schlanke Frau in gestreiftem Kostüm läuft eilig mit einem Becher Kaffee an uns vorbei. Eine schlurfende, dunkelhäutige Frau, die in mehreren Schichten aus Lumpen und alten Decken steckt, blickt mich mit halb geschlossenen Augen an. Ein Trio schwarz gekleideter junger Männer auf Skateboards bahnt sich seinen Weg durch die Touristen.
    Karla schenkt dem Ganzen keine Beachtung und zieht mich am Ellbogen über die Straße. Wir biegen in ein Gewirr aus schmalen Gassen ein, die abseits des Lärms und der Schreie liegen. »Wir könnten die Straßenbahn nehmen«, sagt sie, legt mir eine Hand auf die Brust und hält mich davon ab, in einen Mann hineinzulaufen, der mit einem Stapel Kisten aus der Hintertür einer Kneipe tritt, »aber um diese Jahreszeit sind sie immer voll von Deutschen. Außerdem ist es nur ein kurzer Spaziergang nach Malá Strana, der Prager Kleinseite. Was ist das Besondere an Prag, wenn man nicht zu Fuß hindurchlaufen kann? Mal abgesehen von der Umweltverschmutzung. Wie ich schon sagte.«
    Nahe einer breiten, mit Statuen geschmückten und stark bevölkerten Brücke treten wir aus einer weiteren Gasse ans Ufer der Moldau (ich kann sehen, dass es ein Schild gibt), die im kalten Sonnenlicht schimmert. »Die Karlsbrücke lässt sich auf dieser Strecke leider nicht vermeiden«, murmelt Karla. »Lass dir bloß nichts andrehen. Wenn ich noch eine billige Marionette oder ein Bild der Teynkirche mit nach Hause bringe, wird Cody mich umbringen.«
    Während wir unter einem hohen Torbogen auf die Brücke treten, Cafés und Geschäfte passieren und uns an Touristengruppen und fliegenden Händlern vorbeischieben, frage ich mich, wer Cody wohl ist. Plötzlich hält mir ein kleiner, drahtiger Mann sein Gesicht genau vor die Nase. »Wollen Sie? Wollen Sie? Postkarten von Prag?«
    Er fuchtelt mit einem Fächer kitschiger Ansichtskarten vor meinem Gesicht herum. Erschrocken stoße ich ihn weg. In einem groben Sack, der über seiner Schulter hängt, gräbt er nach weiterem Plunder, hält dann aber inne und blickt mich prüfend an. Plötzlich weiten sich seine Augen und er lässt einen schnellen Schwall tschechischer Wörter über mich ergehen. Er weicht zurück und reckt mir mit abgespreiztem Zeige- und kleinem Finger die Faust entgegen. In der Menge allein gelassen, blicke ich mich panisch um, doch dann taucht Karla aus einer
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