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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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abgemacht! Es gibt nur ein Problem: Wie sollen wir dich nennen? Jeder Mensch muss doch einen Namen haben.«
    Jenny setzt sich auf die Couch. »Stimmt. Bis dein Gedächtnis zurückkommt, müssen wir ja irgendwas zu dir sagen. Hast du irgendeine Idee?«
    Ein Name … Ich bin sicher, dass ich einen Namen habe. Aber alles ist ein leeres Blatt. Ich komme mir wie ein Idiot vor und zucke mit den Schultern.
    »Wie wär’s mit Mister X?«, schlägt Cody vor.
    »Das ist unpraktisch«, wirft Padraig ein. »Wir brauchen was Einfaches, so wie Joe oder Bob oder …«
    Jenny unterbricht ihn. »Nein, es sollte nichts sein, das vielleicht sein zurückkehrendes Gedächtnis überlagert. Nichts, das ihm falsche Erinnerungen suggeriert. Es muss irgendwas … Neutrales sein.«
    »Poutnik«, schlägt Petey zögernd vor. Alle, ich eingeschlossen, drehen sich zu ihm.
    »Was hast du gesagt?«, frage ich ihn.
    Es scheint ihm peinlich zu sein. »Poutnik. Das ist Tschechisch und bedeutet … Wanderer. Pilger. Ich fand das Wort schon immer cool. Auf irgendeiner Bühne wollte ich die Band schon mal Joe Poutnik und die Wanderer nennen.«
    »Poutnik …«, sage ich gedankenverloren zu mir selbst. »Poutnik. Das gefällt mir.«
    Cody zuckt mit den Schultern. »Ich finde, es klingt ziemlich blöd, aber irgendwie müssen wir dich ja nennen. Zumindest solange du hierbleibst.«
    Jenny lässt die Hände auf ihre Schenkel fallen. »In Ordnung, dann wäre das also geklärt. Möchte irgendwer … äh Poutnik das Zimmer von John zeigen?«
    »Das übernehme ich. Ich wollte sowieso nach oben«, sagt Karla. »Na komm, Pooty. Auf geht’s.«
    Johns Zimmer ist ein zusammengewürfeltes Labyrinth aus Büchern und Zeitschriften, Papieren, Zeichnungen und Kritzeleien. Dicke Vorhänge sperren die Sonne aus. Das Bett ist verschnörkelt und eingestaubt.
    »Ein ziemliches Durcheinander. Es ist wohl am besten, wenn du nicht allzu viel anfasst«, schlägt Karla vor. »Ich vermute, du bist ein bisschen müde. Leg dich doch etwas hin und dann essen wir später zu Abend. Unser Zimmer ist schräg gegenüber, falls du was brauchst.«
    »Unser Zimmer?«
    »Äh, Codys und meins. Bis später.«
    Dann bin ich wieder allein. Als ich mich auf die schwere Matratze lege, wirbelt der Staub auf und sinkt langsam wieder auf mich herunter. Poutnik. Der Wanderer. Der Pilger.
    Sobald ich zur Ruhe komme, schließe ich die Augen.
    Schlafe ein.
    Und träume.

Kapitel 2 Das Schloss
    Erwachen. Dann eine sanft abfallende Wiese. Bäume, die ihre Blätter verlieren und in der kühlen Luft zerbrechlich wirken. Der Qualm von Holzfeuern liegt in der Luft und vernebelt die Umrisse der Türme und Kirchen weit unter mir. Irgendwo am Rande meines Blickfelds entdecke ich einen breiten, träge dahinfließenden Fluss.
    Das feuchte Gras und der grobkörnige Dreck unter mir scheuern an meinem nackten Körper. Als ich plötzlich das Gewieher von Pferden hinter mir höre, versuche ich, mich mit den Händen zu bedecken.
    Eine Truppe von Männern zieht an mir vorbei; eine ganze Karawane, die schleppend über das Gras schwankt. Es scheint, als schenkten sie mir keine Beachtung, bis ein Reiter in einiger Entfernung hinter mir anhält, seinen braunen Hengst zügelt und durch den wirbelnden, sich mit dem frühen Morgendunst vermischenden Rauch zu seinen Männern blickt.
    »Ho«, ruft er, hebt die Hand und bringt den Zug zum Stehen. Er kommt in kurzem Galopp zu mir angeritten. Ich blicke zu ihm auf, das milchig weiße Sonnenlicht rahmt seine Gestalt ein. Er wird von einem anderen Reiter begleitet, der prächtige Kleidung trägt und weniger verdreckt aussieht.
    »Mutter Gottes!«, sagt der erste Reiter und durchbohrt mich mit einem stechenden Blick. »Man hat mir zwar gesagt, dass dieser Rudolf allen erdenklichen Narren und komischen Vögeln Unterschlupf gewährt, doch dieses kleine Ferkel muss seinem berühmten Kuriositätenkabinett wohl entkommen sein, um im Dreck nach seiner Mama zu suchen!«
    Ich blinzele zu dem Mann empor, der auf dem Rücken seines großen braunen Hengstes sitzt und an die dreißig Männer anzuführen scheint. Ein Drittel der Männer sitzt auf dem Pferd und wird von der aus Musketieren und Lanzenträgern zusammengesetzten Infanterie begleitet. Hinter ihnen rollt eine Karawane aus drei prall gefüllten Wagen. Sie alle sind offenbar Kampfsoldaten, deren Brustpanzer in der Sonne glänzen, und deren Stiefel und Mäntel vom Staub der Straßen grau geworden sind. Die Worte ihres Anführers werden mit
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