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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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Veitsdoms empor, die eine fast unheilvolle und hochmütige Aura ausstrahlen. Der restliche Palast wirkt irgendwie asymmetrisch; Mauern, die in scheinbar falschen Winkeln verlaufen, so, als hätten sich die Architekten vor einer korrekten Geometrie gefürchtet, oder als hätte man mit Bauplänen und Bleistiften bewaffnete Wahnsinnige aus dem Irrenhaus entlassen. Hinter den Mauern liegt dicker Rauch in der Luft und verschleiert den Blick auf die schindelbedeckten Häuser, die bunt durcheinandergewürfelt die Ufer der schimmernden Moldau säumen. Wahrlich, dies ist ein wundersamer Ort, dessen Atmosphäre mit irgendetwas durchsetzt zu sein scheint, das genauso dicht ist wie der Rauch selbst. Ein Wort kommt mir plötzlich in den Sinn, wenngleich ich auch diesmal nicht genau weiß, ob es das richtige ist: Magie.
    Vor lauter Müdigkeit und Verärgerung hebt sich Percys Stimme, während er auf die versteinert wirkenden Wachen einredet, und schließlich kommt Sir Anthony hinzu, dessen Umhang sich beim Gehen aufbläht und seiner ohnehin schon beeindruckenden Gestalt noch mehr Autorität verleiht. Innerhalb von Sekunden veranlassen ein paar wohlgesetzte Worte einen der Wachmänner, durch die kleine, mannshohe, in die große Tür eingelassene Öffnung zu treten und im Innern zu verschwinden. Offenbar zufrieden wirft mir Sir Anthony einen kurzen, aber dennoch deutlichen Blick zu.
    Nach wenigen Minuten wird die Tür wieder geöffnet. Der Wachmann erscheint mit einem großen, dünnen, drahtigen Mann, der eng sitzende Reithosen sowie einen Uniformrock trägt und von einem fließenden, sich verändernden, changierenden Mantel aus feiner schwarzer Seide umhüllt ist, der so wirkt, als ließe er ihn beinahe in der Luft schweben. Geradezu hypnotisierend wirkt dieser Mantel auf mich. Aus den zufälligen Bewegungen des Stoffs scheinen sich Muster zu ergeben und lassen das Schwarz manchmal blau, manchmal grün und im blassen Sonnenlicht sogar weiß aussehen. Ein wohlgestutzter Bart und eine silbrige Mähne rahmen raubtierhafte Augen und eine Hakennase ein, unter denen sich dünne, blutlose Lippen abzeichnen. Sein Kopf bewegt sich wie der eines Raubvogels und neigt sich, als er mich betrachtet, zur einen Seite, während er Percys Bemerkungen lauscht, die mir im hektischen Treiben des Schlosshofs entgehen. Während Percy ihm Sir Anthony vorstellt, beobachtet er mich weiter. Als der englische Edelmann seine Hand zur Begrüßung ausstreckt, entsteht eine kleine Pause, bevor die falkenartige Gestalt ihre Aufmerksamkeit von mir abwendet und Sir Anthony mit einem knappen Nicken und ohne die Miene zu verziehen in Augenschein nimmt. Deutlich verstimmt stopft Sir Anthony seine Hand zurück in den dicken Reithandschuh und runzelt die Stirn über den groß gewachsenen Mann, den er eine Handbreit überragt. Er greift in das Gespräch zwischen Percy und dem Raubvogelmann ein, der mich aus der Entfernung weiter beobachtet. Ist dies etwa Kaiser Rudolf, von dem ich seit meiner Ankunft in der Stadt so viel gehört habe? Allerdings kommt es mir unwahrscheinlich vor, dass eine so wichtige Person ihre Gäste auf dem geschäftigen Schlosshof persönlich begrüßt. Nach einer Weile ist irgendeine Übereinkunft erzielt, und der Mann verschwindet wieder hinter der Tür.
    Percy kommt zu mir. »Miese kleine Bürokraten«, murmelt er fauchend in sich hinein. Dann blickt er mich an. »Kommt weiter«, befiehlt er, »wir haben endlich Zugang zu diesem Zirkus von Kaiserhof. Der verrückte alte Bastard persönlich hat uns eine Audienz gewährt.«
    Als ich mich anschicke, Percy zu folgen, trete ich auf den Saum meines geliehenen Umhangs, verliere das Gleichgewicht und falle zur Belustigung der Palastwachen mit dem Hintern auf das Kopfsteinpflaster. Percy verdreht verzweifelt die Augen. »Zumindest wenn uns Eure Ungeschicklichkeit nicht alsbald daran hindert.«
    Plötzlich steht Sir Anthony neben mir, reicht mir seine große Hand und zieht mich auf die Füße. »Ein Wort im Vertrauen, wenn Ihr gestattet.«
    Während ich meinen Umhang zusammenraffe, entferne ich mich mit Sir Anthony ein paar Schritte von Percy, der seinen Leuten zuruft, die Wagen auf den Schlosshof zu bringen. »Ich weiß nicht, wie viel Euch Percy auf dem Ritt hierher erzählt hat«, beginnt Sir Anthony, »aber wir sind in einer delikaten Mission im Auftrag des persischen Schahs Abbas hierhergekommen, um Kaiser Rudolf von Habsburg zu treffen. Wenngleich wir Königin Elisabeth treu ergeben sind und dies auch
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